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Samstag, 21. April 2012

Fundraising für die Kultur


Das Jüdische Museum in
Berlin besitzt seit 2001 eine
Fundraisingabteilung
In den letzten Tagen fand der 19. Deutsche Fundraising-Kongress mit rund 750 Teilnehmern in Berlin statt. Michael Bienert hat ihn im Auftrag der STUTTGARTER ZEITUNG besucht, um sich ein Bild von der Bedeutung des Spendensammelns für die Kulturfinanzierung zu machen. Hier sein Bericht.

Wer Geld spendet, will auch was davon haben, sei es ein ruhigeres Gewissen oder einfach das gute Gefühl, an einem sinnvollen Projekt beteiligt zu sein. Spender reagieren empfindlich, wenn ihre Hoffnungen enttäuscht werden. Damit hat gerade Gesa-Thorid Huget zu kämpfen, Geschäftsführerin der Stiftung Elbphilharmonie. Das von ihr unterstützte Hamburger Prestigeprojekt kommt aus den Negativschlagzeilen nicht heraus. Schon 2010 sollte das neue Wahrzeichen der Musikstadt Hamburg in Betrieb gehen, letztes Jahr wurde der Fertigstellungstermin erst auf 2014, dann auf unbestimmte  Zeit verschoben. Das Verhältnis zwischen der Stadt Hamburg als Bauherr und der Baufirma Hochtief ist total zerrüttet. Von 114 Millionen Euro sind die Baukosten auf 323 Millionen explodiert, nun wollte Hochtief auch noch die Haftung für die komplizierte Konstruktion des Konzertsaaldaches auf den Bauherrn abwälzen. Auf der Baustelle rührt sich nichts mehr.
„Zwei Drittel der Spender sind über 60 Jahre alt und wenn sie am Telefon fragen, ob sie die Fertigstellung noch erleben, ist es nicht leicht, sie zu trösten“, berichtet Huget. Dabei fing alles so furios an. Ehe die Bürgerschaft 2005 den Bau des neuen Wahrzeichens in der Hafencity beschloss, hatten der damalige Erste Bürgermeister Ole von Beust und die Kultursenatorin Karin von Welck bereits 40 Millionen Euro von Großspendern eingesammelt. „Die Kultursenatorin war eine hemmungslose Fundraiserin“, schwärmt Huget. Eine breitenwirksame Spendenkampagne konnte 7000 Hamburger überzeugen, bis zum Baubeginn 2007 weitere 16,2 Millionen Euro aufzubringen.

Zum Glück steuerte die als Fundraisingagentur und Spendenempfängerin gegründete Stiftung Elbphilharmonie damals um und verlegte sich aufs Sammeln für den künftigen Spielbetrieb. Seit 2009 finden tatsächlich Elbphilharmonie-Konzertreihen in anderen Konzertsälen statt. Das hält bei den Spendern die Hoffnung auf ein gutes Ende wach.
Mit zweieinhalb Mitarbeiterstellen ist die Stiftung Elbphilharmonie ein kleines Rädchen im komplizierten Geflecht von Kultur- und Baubehörde, Generalintendant, Orchester, Architekten und Baufirmen. Sie nimmt ähnliche Aufgaben wahr wie andernorts Fördervereine von Museen, Theatern, Bibliotheken oder Konzerthäusern. Die enge Bindung von Kulturinteressierten soll zu einem stetigen Zufluss von Sach- und Geldspenden führen, damit die Institutionen mehr finanziellen Spielraum bekommen. Bürgerliche Kulturvereine und –stiftungen gibt es in Deutschland schon seit dem 18. Jahrhundert, in den letzten 20 Jahren hat sich ihre Zahl verdoppelt. Die staatliche Kulturpolitik benutzt sie als unverzichtbares Instrument der Kofinanzierung: So gründete die Stadt Köln 2008 eine selbständige Kunststiftung im Museum Ludwig, um es zögernden Sammlern zu ermöglichen, sich Steuervorteile beim Überlassen von Werken an das Museum zu sichern.
Für den ehemaligen US-Finanzminister Michael Blumenthal war es selbstverständlich, als Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin 2001 sofort eine Fundraisingabteilung nach amerikanischem Vorbild zu etablieren. Sie hat heute fünf Mitarbeiter, davon sind zwei beim Freundeskreis angestellt, sitzen aber mit den Kollegen aus der Museumsstiftung im selben Büro und nutzen dieselbe Datenbank. Neben den 12 Millionen Euro Bundesmitteln stamme ein Viertel der Ausgaben des Jüdischen Museums aus Eigeneinnahmen und Spenden, sagt die Leiterin der Fundraisingabteilung Anja Butzek. Dieser Erfolg sei nur möglich, weil Fundraising im Haus als Managementaufgabe ernst genommen werde.
Die Mitarbeiterinnen der Stiftung Elbphilharmonie und des Jüdischen Museum stellten ihre Arbeit in den letzten Tagen auf dem Deutschen Fundraising Kongress in Berlin vor, so wie Martin Kaufmann, seit 20 Jahren als Spendenbeschaffer für Kultur- und Bildungseinrichtungen in Großbritannien. Zur Zeit leitet er die Fundraisingabteilung des Museum of London mit neun Mitarbeitern. Systematisch identifizieren sie potentielle Geldgeber und pflegen den persönlichen Kontakt. „Genau wie Daimler-Benz vorher wissen will, was die potentiellen Käufer eines neuen Autos wollen, versuchen wir, die Wünsche und Bereitschaft der Spender zu ermitteln.“ So schafft es Kaufmanns Abteilung, zweistellige Millionenbeträge für Erweiterungen des Londoner Stadtmuseums zu aquirieren.
Spendenbereitschaft hat viel mit Vertrauen zu tun, gerade wenn es um größere Summen geht. Besonders vertrauenswürdig und erfolgreich beim Einwerben sind hierzulande Kulturinstitute oder Hochschulen, die über eine solide staatliche Grundfinanzierung verfügen. Sie können es sich am ehesten leisten, speziell ausgebildete Fundraiser zu beschäftigen. In der Breite des Kultursektors sei die Professionalisierung hingegen nicht sehr weit fortgeschritten, meint der Leiter der Frankfurter Fundraisingakademie Thomas Kreuzer. Kommunale und kleine Kulturinstitutionen scheinen doppelt benachteiligt: Es kommen immer weniger öffentliche Gelder bei ihnen an und gleichzeitg fehlt es an Personal und Wissen, um private Geldquellen anzuzapfen.
Die Evangelische Kirche in Deutschland sammelt schon immer Spenden, angesichts schrumpfender Kirchensteuereinnahmen soll das nun professionalisiert werden. In jeder Landeskirche wurden Ansprechpartner für Fundraising benannt und eine zentrale Servicestelle geschaffen. „Das Lutherjahr 2017 gibt uns zum Beispiel die Chance, verstärkt um Spenden für die Sanierung der Stadtkirche in Wittenberg zu werben“, erklärt die Leiterin Ingrid Alken. Von den 7,8 Millionen Euro Baukosten wollen Bund und Land den größten Teil  tragen, aber 405.000 Euro muss die örtliche Gemeinde auftreiben. Auch diese Zahlen machen klar, dass erfolgreiches Fundraising kein Ersatz für eine starke öffentliche Kulturfinanzierung sein kann.


Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 21. April 2012

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