Das Jüdische Museum in Berlin besitzt seit 2001 eine Fundraisingabteilung |
Wer Geld spendet, will auch
was davon haben, sei es ein ruhigeres Gewissen oder einfach das gute Gefühl, an
einem sinnvollen Projekt beteiligt zu sein. Spender reagieren empfindlich, wenn
ihre Hoffnungen enttäuscht werden. Damit hat gerade Gesa-Thorid Huget zu
kämpfen, Geschäftsführerin der Stiftung Elbphilharmonie. Das von ihr
unterstützte Hamburger Prestigeprojekt kommt aus den Negativschlagzeilen nicht
heraus. Schon 2010 sollte das neue Wahrzeichen der Musikstadt Hamburg in
Betrieb gehen, letztes Jahr wurde der Fertigstellungstermin erst auf 2014, dann
auf unbestimmte Zeit verschoben. Das
Verhältnis zwischen der Stadt Hamburg als Bauherr und der Baufirma Hochtief ist
total zerrüttet. Von 114 Millionen Euro sind die Baukosten auf 323 Millionen
explodiert, nun wollte Hochtief auch noch die Haftung für die komplizierte
Konstruktion des Konzertsaaldaches auf den Bauherrn abwälzen. Auf der Baustelle
rührt sich nichts mehr.
„Zwei Drittel der Spender
sind über 60 Jahre alt und wenn sie am Telefon fragen, ob sie die
Fertigstellung noch erleben, ist es nicht leicht, sie zu trösten“, berichtet
Huget. Dabei fing alles so furios an. Ehe die Bürgerschaft 2005 den Bau des
neuen Wahrzeichens in der Hafencity beschloss, hatten der damalige Erste
Bürgermeister Ole von Beust und die Kultursenatorin Karin von Welck bereits 40
Millionen Euro von Großspendern eingesammelt. „Die Kultursenatorin war eine hemmungslose
Fundraiserin“, schwärmt Huget. Eine breitenwirksame Spendenkampagne konnte 7000
Hamburger überzeugen, bis zum Baubeginn 2007 weitere 16,2 Millionen Euro
aufzubringen.
Zum Glück steuerte die als
Fundraisingagentur und Spendenempfängerin gegründete Stiftung Elbphilharmonie damals
um und verlegte sich aufs Sammeln für den künftigen Spielbetrieb. Seit 2009
finden tatsächlich Elbphilharmonie-Konzertreihen in anderen Konzertsälen statt.
Das hält bei den Spendern die Hoffnung auf ein gutes Ende wach.
Mit zweieinhalb
Mitarbeiterstellen ist die Stiftung Elbphilharmonie ein kleines Rädchen im
komplizierten Geflecht von Kultur- und Baubehörde, Generalintendant, Orchester,
Architekten und Baufirmen. Sie nimmt ähnliche Aufgaben wahr wie andernorts
Fördervereine von Museen, Theatern, Bibliotheken oder Konzerthäusern. Die enge
Bindung von Kulturinteressierten soll zu einem stetigen Zufluss von Sach- und
Geldspenden führen, damit die Institutionen mehr finanziellen Spielraum
bekommen. Bürgerliche Kulturvereine und –stiftungen gibt es in Deutschland
schon seit dem 18. Jahrhundert, in den letzten 20 Jahren hat sich ihre Zahl
verdoppelt. Die staatliche Kulturpolitik benutzt sie als unverzichtbares
Instrument der Kofinanzierung: So gründete die Stadt Köln 2008 eine selbständige
Kunststiftung im Museum Ludwig, um es zögernden Sammlern zu ermöglichen, sich
Steuervorteile beim Überlassen von Werken an das Museum zu sichern.
Für den ehemaligen
US-Finanzminister Michael Blumenthal war es selbstverständlich, als
Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin 2001 sofort eine
Fundraisingabteilung nach amerikanischem Vorbild zu etablieren. Sie hat heute fünf
Mitarbeiter, davon sind zwei beim Freundeskreis angestellt, sitzen aber mit den
Kollegen aus der Museumsstiftung im selben Büro und nutzen dieselbe Datenbank.
Neben den 12 Millionen Euro Bundesmitteln stamme ein Viertel der Ausgaben des
Jüdischen Museums aus Eigeneinnahmen und Spenden, sagt die Leiterin der
Fundraisingabteilung Anja Butzek. Dieser Erfolg sei nur möglich, weil Fundraising
im Haus als Managementaufgabe ernst genommen werde.
Die Mitarbeiterinnen der
Stiftung Elbphilharmonie und des Jüdischen Museum stellten ihre Arbeit in den
letzten Tagen auf dem Deutschen Fundraising Kongress in Berlin vor, so wie
Martin Kaufmann, seit 20 Jahren als Spendenbeschaffer für Kultur- und
Bildungseinrichtungen in Großbritannien. Zur Zeit leitet er die
Fundraisingabteilung des Museum of London mit neun Mitarbeitern. Systematisch
identifizieren sie potentielle Geldgeber und pflegen den persönlichen Kontakt.
„Genau wie Daimler-Benz vorher wissen will, was die potentiellen Käufer eines
neuen Autos wollen, versuchen wir, die Wünsche und Bereitschaft der Spender zu
ermitteln.“ So schafft es Kaufmanns Abteilung, zweistellige Millionenbeträge für
Erweiterungen des Londoner Stadtmuseums zu aquirieren.
Spendenbereitschaft hat viel
mit Vertrauen zu tun, gerade wenn es um größere Summen geht. Besonders
vertrauenswürdig und erfolgreich beim Einwerben sind hierzulande
Kulturinstitute oder Hochschulen, die über eine solide staatliche
Grundfinanzierung verfügen. Sie können es sich am ehesten leisten, speziell
ausgebildete Fundraiser zu beschäftigen. In der Breite des Kultursektors sei
die Professionalisierung hingegen nicht sehr weit fortgeschritten, meint der Leiter
der Frankfurter Fundraisingakademie Thomas Kreuzer. Kommunale und kleine
Kulturinstitutionen scheinen doppelt benachteiligt: Es kommen immer weniger
öffentliche Gelder bei ihnen an und gleichzeitg fehlt es an Personal und
Wissen, um private Geldquellen anzuzapfen.
Die Evangelische Kirche in
Deutschland sammelt schon immer Spenden, angesichts schrumpfender
Kirchensteuereinnahmen soll das nun professionalisiert werden. In jeder
Landeskirche wurden Ansprechpartner für Fundraising benannt und eine zentrale
Servicestelle geschaffen. „Das Lutherjahr 2017 gibt uns zum Beispiel die
Chance, verstärkt um Spenden für die Sanierung der Stadtkirche in Wittenberg zu
werben“, erklärt die Leiterin Ingrid Alken. Von den 7,8 Millionen Euro
Baukosten wollen Bund und Land den größten Teil tragen, aber 405.000 Euro muss die örtliche Gemeinde
auftreiben. Auch diese Zahlen machen klar, dass erfolgreiches Fundraising kein
Ersatz für eine starke öffentliche Kulturfinanzierung sein kann.
Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 21. April 2012
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