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Mittwoch, 31. Januar 2018

Max Reinhardts Reisetasche wieder in Berlin

Einen Kleinlaster voller Dokumente und persönlicher Gegenstände aus dem privaten Nachlass Max Reinhardts hat das Stadtmuseum Berlin erworben, zu welchem Preis, darüber wurde Stillschweigen vereinbart. Ein paar Stücke aus der Erwerbung wurden heute am Rand des Jahrespressekonferenz des Stadtmuseums gezeigt: eine offenbar viel benutzte Reisetasche des alle überragenden Berliner Theaterregisseurs des frühen 20. Jahrhunderts, ein von ihm selbst entworfenes Siegel, eine Krawattennadel und ein Zeitungsetui, Theaterzettel und das „Time“-Magazin mit dem Konterfei des vor den Nazis ins Exil geflohenen Theatermannes auf dem Titel. Der umfangreiche Bestand wird nun erschlossen und soll danach in der digitalen Sammlungspräsentation des Stadtmuseums recherchierbar sein. Das Stadtmuseum verfügt ohnehin über eine riesige theaterhistorische Sammlung, die Gegenstände aus den Besitz Max Reinhardts ergänzen sie um Objekte mit einer ganz persönlichen Aura.

Freitag, 26. Januar 2018

Die Berliner Secession nach der Revolution

Das 1921 zum Theater am Kurfürstendamm umgewidmete
Secessionsgebäude am Kurfürstendamm 208/209. Was
noch davon da ist, wird 2018 komplett abgerissen.
Von Michael Bienert - Die Berliner Secession gilt als die bedeutendste Künstlervereinigung in der deutschen Hauptstadt vor dem Ersten Weltkrieg: Sie war Sammelbecken und die Ausstellungsplattform der „Modernen“, die künstlerische Ausdrucksformen jenseits der akademischen Kunst des Kaiserreichs suchten. Mit dessen Untergang verschoben sich die Fronten: Protagonisten der Berliner Secession wie Max Liebermann oder Käthe Kollwitz wurden in der Weimarer Republik zu Leitfiguren der Preußischen Akademie der Künste. In der Kunst- und Kulturgeschichtsschreibung der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg spielt die Secession daher nur noch eine Nebenrolle. In ihrem Buch Die Berliner Secession 1899-1937 verändert Anke Matelowki diese vertraute Perspektive auf den Gegenstand: Vier Fünftel des Buches widmen sich der Zeit zwischen dem Überlebenskampf der Secession nach dem Ersten Weltkrieg bis zum sang- und klanglosen Verschwinden aus dem NS-Kulturbetrieb nach der letzten dokumentierten Ausstellung im Jahr 1936. Die Secession stand in dieser Zeit nicht länger in lebendiger Opposition zu einer herrschenden Kunstrichtung, blieb aber ein lebendiger Interessenverband und ein Ausstellungsforum für fast alle modernen Kunstströmungen der Zeit. So waren Otto Dix und George Grosz in den Secessionsausstellungen vertreten, Bildhauerinnen wie Renée Sintenis und Milly Steeger, viele jüdische Künstler, aber eben auch die späteren Nazi-Staatsbildhauer Arno Breker und Josef Thorak. Akribisch hat Anke Matelowski über viele Jahrzehnte Dokumente zusammengetragen, nicht nur in der Akademie der Künste, wo sie als Archivmitarbeiterin an der Quelle sitzt, sondern in zahllosen Archiven. Das Ergebnis ist ein wissenschaftliches Standardwerk zum Auf und Ab im Berliner Kunstleben der Weimarer Republik, denn nicht nur die Geschichte der Secession wird nacherzählt, ebenso werden ihre Stellung innerhalb des Kunstbetriebs, ihre Beziehungen zu anderen Künstlervereinigungen und die wirtschaftliche Situation der Künstler generell beleuchtet. Der Schweizer Nimbus-Verlag hat ein schönes Kunstbuch aus diesem Werk der kunst- und kulturwissenschaftlichen Grundlagenforschung gemacht, das auch einen gewichtigen Beitrag zur Berlin-Forschung darstellt.

Anke Matelowski
Die Berliner Secession 1899-1937
Chronik, Kontext, Schicksal
Wädenswil 2017
680 Seiten, 68 Euro
ISBN 978-3-03850-033-9
Weitere Infos

Mittwoch, 10. Januar 2018

Hyperlokal, kosmopolitisch und kinderfreundlich - der Neustart am Literaturhaus Berlin

Literaturhaus Fasanenstraße 23
Foto: Bienert
"Was ist das für ein Haus hier?" Mit dieser Frage haben sich Janina Gelinek und Sonja Longolius erfolgreich um ihren neuen Arbeitsplatz beworben. Seit dem 1. Januar 2018 leiten die Literaturwissenschaftlerinnen und -vermittlerinnen das Literaturhaus in der Berliner Fasanenstraße, besser gesagt: Sie bereiten den Programmstart pünktlich zum kalendarischen Frühlingsanfang vor. Ihr neues Konzept für die alte Villa ist inspiriert von dessen Geschichte: In der Gründerzeit erbaut für einen Korvettenkapitän, war es später Lazarett, Volksküche, Studentenklub, Café, Diskothek, Bordell - und ab 1986 das erste Literaturhaus, das sich so nannte, Vorbild für inzwischen über 20 Literaturhäuser im deutschsprachigen Raum. Der vorige Leiter Ernest Wichen gehörte noch der Gründergeneration an, jetzt übernimmt eine deutlich jüngere Generation das Steuer in der Kapitänsvilla.
"Wir sind die Erasmus-Generation" fasst Gelinek den kosmopolitischen Werdegang der neuen Leitung zusammen, die bestürzt ist darüber, dass ein Europa ohne spürbare Binnengrenzen neuerdings wieder infrage gestellt wird. Deshalb soll das Literaturhaus zum "Reservelazarett" für den europäischen Gedanken werden, gar ein europäischer Feiertag in der Fasanenstraße ausgerufen werden. "Wohnhaus" soll es sein für die wachsende Zahl von Alt- und Neuberlinern, als "Clubhaus" wieder attraktiv für Studierende werden, "Garküche" für das Sprachenwirrwarr der nach Berlin Geflüchteten. Im "Freudenhaus" werden neue Veranstaltungsformate ausprobiert und unter der Rubrik "Baumhaus" wird es künftig auch ein Kinder- und Jugendprogramm an der Fasanenstraße geben.
Sonja Longolius und Janina Gelinek
Foto: Nina Zimmermann
"Berlin als Schaffensort" heißt eine der neuen Programmreihen, dabei ist vor allem an Autoren nichtdeutscher Herkunft gedacht. Hyperlokal und international, das ist kein Gegensatz in Berlin, sondern ein Kapital. Die beiden Leiterinnen wollen das Haus in zentraler, verkehrsgünstiger Lage für das öffnen, was  nahe liegt: "Wir möchten gerne gute Gastgeber sein." Mit einem Frühlingsfest am 20. und 21. März startet das neue Programm, das hoffentlich viele neue Gäste in die Fasanenstraße lockt.
Noch bis 11. März ist im Literaturhaus die Ausstellung "Zwischen den Fronten. Der Glasperlenspieler Hermann Hesse" zu sehen. Weitere Infos unter www.literaturhaus-berlin.de