Leichtfüßig ist Nike im Lichthof gelandet. Kaum berühren ihre Zehen den Boden, so schwerelos hat der antike Bildhauer Paionios sie geformt. Das Abbild der Siegesgöttin ziert die aktuellen Medaillen der Olympiasieger von London. Das Original stand auf einem hohen Pfeiler vor dem Zeustempel im antiken Olympia. In Berlin ist sie nur als Gipsabguss zu sehen: trotzdem schön. Auch die Monumentalreliefs vom Giebel des Tempels, auf denen der Wagenlenker Pelops seinem Konkurrenten entgegentritt, wurden mit Abgüssen rekonstruiert.
Als 1874 deutsche Archäologen den ersten Vertrag für die bis
heute andauernden Grabungen in Olympia mit den Griechen schlossen, wurde
festgeschrieben, dass sämtliche Funde im Land blieben. Keine Fundteilung also, wie
bei der Nofretete oder in Pergamon. Verärgert drohte Bismarck den Geldhahn
abzudrehen. Aber für Kaiser Wilhelm I. war die Olympia-Grabung nach dem militärischen
Sieg über Frankreich 1871 auch ein kulturelles Prestigeprojekt. Immerhin hatte
eine französische Expedition 1829 die ersten archäologischen Entdeckungen in
Olympia zu Tage gefördert. So kommt ein marmorner Herkuleskopf als Leihgabe aus
dem Louvre.
500 wertvolle Originale durften Griechenland für die
Ausstellung "Mythos Olympia" verlassen. Das gab´s noch nie. Nationale
Imagepflege in Zeiten der Krise? Die vom griechischen Kulturminister eröffnete
Ausstellung präsentiert die Hellenen sportlich, dynamisch und wettkampfstark.
Konkurrenzdenken und Repräsentationsbedürfnis prägten schon
vor 2500 Jahren die Aktivitäten auf dem Boden des heiligen Hains in Olympia.
Die rivalisierenden griechischen Stadtstaaten errichteten dort Schatzhäuser, in
denen sie tausende von Weihegeschenke für Zeus aufhäuften. Jeder Sieg, so war
man überzeugt, freute den obersten der Götter. Um den Blitzeschleuderer gnädig
zu stimmen, wurden tagtäglich Tieropfer auf den Brandaltar gehievt. Der so
entstandene Aschekegel türmte sich meterhoch, wie die Ausstellungsarchitektur modellhaft
vor Augen führt. Rundum liegt ausgebreitet, was die Griechen dem Göttervater weihten.
Winzige Stier- und Pferdestatuetten, aber auch gewaltige Bronzekessel und eine
ganze Armee kriegerischer Helme. Das antike Olympia war vor allem eine
religiöse Kultstätte.
Nur zu Ehren des Zeus traten seit dem 7. oder 8. Jahrhundert
die ersten Ringer, Schnellläufer, Wagenlenker und Diskuswerfer gegeneinander
an. Auf Vasenbildern, in Skulpturen und Reliefs ist ihr Wettstreit noch immer
im vollen Gang. Da spannt ein Läufer am Start die Muskeln, der Faustkämpfer
holt zum entscheidenden Schlag aus und der Speerwerfer prüft aufmerksam sein
Sportgerät. Sogar eine Startschwelle, von der die Wettläufer losrannten, blieb erhalten.
Als literarischer Gewährsmann führt der antike Schriftsteller
Pausanias durch die Ausstellung. Seine Beschreibungen der olympischen Stätten
wiesen auch den modernen Ausgräbern den Weg. Zur Berliner Olympiade 1936
kurbelten die Nationalsozialisten die Grabungsaktivitäten wieder an - und
legten das antike Stadion frei, ein bescheidener Turnierplatz mit Erdwällen für
die Zuschauer. Heute sind deutsche Forscher mit verfeinerten Technologien im
Einsatz. Spektakuläre Funde sind selten. Eher geht es nun darum, die antike Landschaftsentwicklung
und Sozialgeschichte zu verstehen.
Im letzten Raum stehen die Sportsmänner aufgereiht auf dem Siegerpodest.
Die Helden mit ihren jugendlich schönen, nackten Körpern prägten auf
Jahrtausende das europäische Menschenideal. Sie wirken durchtrainiert, aber
nicht martialisch gestählt. Manche sind kopflos, anderen fehlen Füße, Arme oder
ganze Beine. Unfreiwillig wirken sie wie Vorboten einer neuen Ära, in der auch
paralympische Athleten als Helden gefeiert werden.
Bis 7. Januar 2013
Mi-Mo 10-19 Uhr, Di geschlossen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen