Mitgenommen sieht er aus. Das marmorweiße Gesicht des alten
Haudegens und sein Dreispitz sind fleckig als käme er aus einer Feldschlacht.
Sein Blick geht ernst, fast verstört ins Leere, ohne Aufmerksamkeit für die
anmutige Venus und den verführerischen Götterboten Hermes aus Sanssouci, die
den Treppenaufgang in der kleinen Kuppelhalle des Bode-Museums flankieren.
Eine Etage höher steht Friedrich der Große noch einmal,
umringt von Generälen, die für ihn starben. Das blitzsaubere Standbild oben ist
eine Kopie, unten hat sich die deutsch-polnische Geschichte in das Original
eingefressen wie Säure. Der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow
meißelte die Denkmalfigur für Stettin, wo sie 1793 aufgestellt wurde und nach
dem Zweiten Weltkrieg lange unauffindbar war. Für die polnisch gewordene Stadt
kam eine Ehrung Friedrichs im öffentlichen Raum nicht in Frage. In den Augen der östlichen Nachbarn war er Raubtier, mit seinem Namen verbinden sie die erste
polnische Teilung von 1772 und das jahrzehntelange Verschwinden Polens von der
politischen Landkarte.
Vom Schreckgespenst zum kriegsversehrten Friedenbotschafter:
Dieser wunderbare Bedeutungswandel
ist Schadows Friedrich-Bildnis nun widerfahren. Das schwer beschädigte Original
wurde von polnischen Restauratoren mit deutscher Unterstützung
wiederhergestellt und vom Nationalmuseum in Stettin zum 300. Geburtstag des
Königs nach Berlin ausgeliehen. Nicht auf Hochglanz poliert, sondern als
angeschlagener Veteran der deutsch-polnischen Beziehungen, auf Beinprothesen
aus blankem Marmor.
„Soll das Land glücklich sein, will der Fürst geachtet
werden, so muss er Ordnung in seinen Finanzen halten. Noch nie hat sich eine
arme Regierung Ansehen verschafft“, steht einige Säle weiter in Großbuchstaben
an einer Wand über Vitrinen, in denen mit Münzen aus Friedrichs Regierungszeit
glänzen. Taugt er etwa doch noch als Stichwortgeber für die Gegenwart? Eine
Sonderschau des Münzkabinetts schafft es zumindest, das friderizianische
Geldwesen als spannendes Politikfeld darzustellen. Die faszinierenden
Widersprüche des königlichen Charakters werden darin sichtbar: Friedrich
wirtschaftete umsichtig mit dem Staatsschatz, den ihm sein krämerischer Vater
hinterlassen hatte, schreckte aber auch vor waghalsigen Spekulationen nicht
zurück, um seine Ziele zu erreichen. Den Siebenjährigen Krieg finanzierte er
zum Teil durch Falschmünzerei. Danach aber beeilte er sich, das Vertrauen in
den Geldkreislauf durch ebenso
beherzte Reformen zurückzugewinnen: „Ich zahle über kurz oder lang alle
Staatsschulden; dann kann ich ruhig sterben, wann es mir gefallen wird.“
Nicht wegen seiner Schlachten darf Friedrich II. von Preußen
heute wieder allenthalben „der Große“ genannt werden, sondern wegen seines
intellektuellen Formats. Gerade in der Detailbetrachtung blitzt es immer wieder
auf, etwa in der Ausstellung des Berliner Musikinstrumentenmuseums über Grauns
Oper „Montezuma“, für die Friedrich das Textbuch lieferte. 1755 kam sie im Haus
der heutigen Staatsoper heraus. Friedrich ließ dieses Lieblingsspielzeug für ein
Vermögen in die Berliner Kulturwüste setzen und gefiel sich in der Rolle des
Generalintendanten. Theatermaschine, Bühnenbildentwürfe, Kosteninventare und Hörproben in der Ausstellung machen
den damaligen Opernbetrieb nacherlebbar. Als Librettist von „Montezuma“ scheute
der aufgeklärte König keine politische Brisanz. Der Eroberer Schlesiens
attackierte den Kolonialismus der Spanier und hatte seinen Heidenspaß daran,
„dass man selbst in der Musik einige Raketen wider die Barbarei der
katholischen Religion werfen kann.“
Die Alte Nationalgalerie zeigt schon immer die berühmten
Friedrich-Gemälde Adolph Menzels aus dem 19. Jahrhundert – darunter das
„Flötenkonzert von Sanssouci“ –, nun ergänzt um Zeichnungen, Skizzen und
Grafiken dieses Künstlers, der 40 Jahre um eine wirklichkeitsnahe Darstellung
der friderizianischen Epoche rang. Menzels Bild „Friedrich der Große auf
Reisen“ ließ sich Hitler ins Arbeitszimmer des Münchner Führerbaus hängen. Das
wurde dem Werk zum Verhängnis: Bei Plünderungen am Ende des Zweiten Weltkrieges
schnitten Unbekannte die obere Hälfte des Königs aus der Leinwand.
So versehrt ist Menzels Bild derzeit im Deutschen
Historischen Museum ausgestellt.
Der Beschlagnahme Friedrichs durch die Nationalsozialisten
folgte nach 1945 ein tiefer Sturz: Das Staatsgebilde Preußen verschwand, viele
Königsdenkmäler fielen, im Geschichtsbild entstand eine Lücke. Das nationale
Geschichtsmuseum schlägt einen Bogen um die Frage, wie sie zu schließen wäre.
„Jede Gesellschaft macht sich ihren eigenen Friedrich“, konstatiert Museumschef
Alexander Koch lapidar und überlässt es dem Publikum, für welchen es sich
entscheidet. Seine Kuratoren ziehen sich auf die Inventarisierung der
Rezeptionsgeschichte zurück und füllen so zwei Etagen: mit Friedrich als
Wachsfigur, Wandbild für die gute Stube, Anekdotenheld, Comicfigur,
Bierreklame, Werbeträger für rechte Parteien, Porzellannippes und als Teddy zum
Knuddeln.
Zur Einstimmung sind Totenmaske und Totenhemd in einem
gruftartigen Raum feierlich wie Reliquien inszeniert. Kinder begleitet
„Fridericus Ducks“, eine Disneyfigur im preußischblauen Uniformrock mit
Dreispitz, durchs Deutsche Historische Panoptikum. Am Ausgang kann jeder seinen
Kopf durch ein Loch in einem Friedrichbild stecken, um sich als Wiedergänger
des großen König fotografieren zu
lassen: In diesem Preußenjahr darf jeder mit seinem eigenen Fritz selig werden!
AUSSTELLUNGSORTE
DHM „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt“ bis
29. Juli, Katalog 24 Euro. Mehr unter www.dhm.de
BODE-MUSEUM „Für 8 Groschen ist´s genug – Friedrich der
Große in seinen Münzen und Medaillen“ bis 14. Oktober, Begleitbuch 14,90
ALTE NATIONGALERIE „Das Bild Friedrichs des Großen bei
Menzel“ bis 24. Juni, Begleitbuch 20 Euro
KULTURFORUM „Friedrichs Montezuma“, bis 24. 6. und „Am Rande
der Vernunft. Bildzyklen der Aufklärungszeit“ bis 29. Juli. Mehr unter www.smb.museum/kunstkoenigaufklaerung
BÜCHER ZUM FRIEDRICHJAHR www.berlinstory.de
BÜCHER ZUM FRIEDRICHJAHR www.berlinstory.de
FRIEDRICH-APP www.text-der-stadt.de/fritzapp.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen