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Sonntag, 17. April 2011

Bundestagskrimi im Kopf

Das Rauchverbot im Paul-Löbe-Haus der Bundestagsabgeordneten gilt selbstverständlich auch für die Toiletten. Nicht jeder, der in der großen Gesetzgebungsmaschine arbeitet, hält sich daran. Deshalb hat jemand im kahlen Vorraum der Herrentoilette einen unübersehbaren A3-Computerausdruck mit einem Rauchverbotszeichen an die Wand geklebt. Darunter hängt ein V-förmiges Metallobjekt, über dessen Nutzen man sich lange den Kopf zerbrechen könnte; deshalb steht ganz groß drauf: „Aktenablage“. Noch nie gesehen sowas, gibt es das auch in anderen deutschen Behördentoiletten? Das Objekt beflügelt sofort die Fantasie, es entsteht ein Krimi im Kopf: Der Abgeordnete A muss mal schnell auf die Toilette, legt im Vorraum seine brisanten Akten in das Ablagegestell, der Kollege B tut das gleiche, beim Rausgehen werden die Akten vertauscht. Brisantes Material über den Atomausstieg gerät in die Hände der Opposition und löst eine Regierungskrise aus. Oder die Ablage dient als Ort für die anonyme Übergabe belastender Dokumente an einen beim Bundestag akkreditierten Journalisten. Werte Krimiautoren, wir warten noch immer auf den großen Roman, der die unterirdischen Versorgungstrakte, die geheimen Nischen und Winkel des Regierungsviertels für die Literatur entdeckt! - Dies ist die 113. und letzte Montagskolumne, die morgen unter dem Titel "Kulturrepublik" in der STUTTGARTER ZEITUNG erscheint. Kulturpolitische Artikel werden weiter unter der Rubrik gepostet und auf www.text-der-stadt.de archiviert.

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