Eine Antwort auf Mietskasernenelend und Wohnungsnot: Bruno Tauts Wohnstadt "Carl Legien" gehört heute zum UNESCO-Weltkulturerbe |
Vor dem Ersten Weltkrieg entschieden die Standortwahl der Industrie, die Bodenspekulation und die Rivalitäten zwischen den Einzelgemeinden im Großraum Berlin darüber, wo Mietskasernen für Arme oder Villenviertel als Steueroasen für Wohlhabende entstanden. Nach Schaffung der Einheitsgemeinde war es möglich, planvoll sozialen Wohnungsbau auf Flächen zu betreiben, die der Kommune außerhalb des S-Bahn-Rings zur Verfügung standen.
Vom "goldenen Zeitalter der Wohnungsbaupolitik" sprach die Linken-Politikerin Katrin Lompscher heute auf dem 12. Hermann-Henselmann-Colloquium im ehemaligen Preußischen Landtag, wo 1920 das Groß-Berlin-Gesetz verabschiedet wurde. Zwar sind es bis zum 100. Jubiläum noch ein paar Jahre, doch schon jetzt findet es die Hermann-Henselmann-Stiftung an der Zeit, dieses historische Ereignis auf seine Voraussetzungen und Folgen zu befragen. Sie plant weitere Symposion bis zum Jahr 2020, die sich der "Verkehrsfrage" (2017), der "Grünfrage" (2018) und der "Planungskultur" (2019) widmen sollen, um dann in eine Abschlusskonferenz zu "Perspektiven für die Hauptstadtregion" (2020) zu münden. An eine "neue Epoche der Stadtentwicklung" glaubt Mitorganisator Thomas Flierl. Zum Auftakt der Tagungsserie stand die plötzlich wieder brennend aktuell gewordene "Wohnungsfrage" auf dem Programm. Angesichts einer unerwartet stark wachsenden Bevölkerung sieht sich der Berliner Senat heute vor ähnlichen Herausforderungen wie der Magistrat in der Zeit zwischen den Weltkriegen.
Was damals aus der (Wohnungs-)Not geboren wurde, ist durchaus ermutigend, hat Schule gemacht und gehört heute - wie die Hufeisensiedlung in Britz, die Weiße Stadt oder die Ringsiedlung - zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Chance, an diese Tradition anzuknüpfen, ist gegeben, trotz der Drucks, bis 2030 etwa 300.000 Wohnungen neu zu bauen, die sich die Berliner auch leisten können. Nach dem Ersten Weltkrieg war der Druck erheblich höher, etwa 300.000 Berliner hausten damals in Lauben und anderen Notquartieren. "Wir haben heute einen Engpass, aber keine Wohnungsnot wie vor 100 Jahren", sagte Maren Kern vom mächtigen Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen auf der Konferenz. Sie glaubt die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen gut aufgestellt, sieht Probleme eher in bürokratischen Hindernissen, in überzogenen gesetzlichen Auflagen, bei der Versorgung mit preiswertem Bauland und in der Akzeptanz: "Die Zustimmung zum Neubau in der Bevölkerung muss wachsen."
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