In der STUTTGARTER ZEITUNG erschien heute der ausführliche Bericht von Elke Linda Buchholz zur Eröffnung des Archäologischen Zentrums in Berlin:
Lesesaal in der Archäologischen Bibliothek Mehr Fotos |
Die aramäische Göttin lächelt. Würdevoll, wie es sich für eine 3000 Jahre alte Grabfigur gehört, hat sie im lichtdurchfluteten Foyer des neuen Archäologischen Zentrums der Staatlichen Museen zu Berlin Aufstellung bezogen. Draußen vor der hohen Fensterfront rattert ein ICE auf der Stadtbahntrasse vorbei, drinnen strahlen die Festredner mit der Berliner Herbstsonne um die Wette. Kulturstaatsminister Bernd Neumann freut sich, dass der 47 Millionen Euro teure Neubau im Kostenrahmen blieb. Stiftungspräsident Hermann Parzinger begeistert sich für die idealen Forschungsbedingungen, die der Bau mit seinen Werkstätten, Schaudepots und Bibliotheksbeständen bietet. Nicht nur die zuvor in verwinkelten Nebengelassen des Pergamonmuseums untergebrachten Wissenschaftler und Restauratoren dürfen nun in maßgeschneiderten Arbeitsräumen werkeln, auch Forscher aus aller Welt sollen hierher strömen. Eine "Hochleistungsdenksporthalle" sei der nüchtern wirkende Bau, so Freizeitsportler Parzinger. Ein "Pumpwerk des Wissens" nennt ihn Museumsgeneral Eissenhauer.
Die Architektur, die zu solch agilen Wortspielen inspiriert, ist ein Werk des Stuttgarter Architekturbüros Harris und Kurrle. Sie haben Kindertagestagesstätten, Schul- und Verwaltungsbauten in Baden-Württemberg und anderswo gebaut. Von ihrer Vorliebe für klare, einfach und präzise strukturierte Baukörper sind sie auch in Berlin nicht abgewichen. Als hoher geschlossener Block aus braunem Backstein schiebt sich das Archäologische Zentrum in den Stadtraum, abweisend und streng: Ein Wissensspeicher ohne verspielten Charme. Allein die asymmetrisch eingefügte Glasfront des Foyers und eine schlanke Fensterreihe hoch oben rhythmisieren die Hauptfassade des Kopfbaus. Dort oben dürfen Bibliotheksbenutzer das natürliche Tageslicht genießen und einen Blick hinüber zur Museumsinsel werfen. Die Archivalien in den tieferen Geschossen hingegen brauchen abgeschottetes Dunkel. Um dafür eine gestalterische Lösung zu finden, ließ sich Architekt Kurrle von fensterlosen Monumentalbauten altägyptischer Tempel anregen. Die Ziegelfassade soll an die Berliner Backsteinarchitektur anknüpfen. Doch das misslingt: Die Hommage an die lebendige Textur handwerklicher Baukunst scheitert an der schludrig wirkenden Bauausführung. Ein so minimalistischer Baukörper verzeiht es nicht, wenn sich Baufugen im Ziegelmauerwerk abzeichnen.
Die Architektur, die zu solch agilen Wortspielen inspiriert, ist ein Werk des Stuttgarter Architekturbüros Harris und Kurrle. Sie haben Kindertagestagesstätten, Schul- und Verwaltungsbauten in Baden-Württemberg und anderswo gebaut. Von ihrer Vorliebe für klare, einfach und präzise strukturierte Baukörper sind sie auch in Berlin nicht abgewichen. Als hoher geschlossener Block aus braunem Backstein schiebt sich das Archäologische Zentrum in den Stadtraum, abweisend und streng: Ein Wissensspeicher ohne verspielten Charme. Allein die asymmetrisch eingefügte Glasfront des Foyers und eine schlanke Fensterreihe hoch oben rhythmisieren die Hauptfassade des Kopfbaus. Dort oben dürfen Bibliotheksbenutzer das natürliche Tageslicht genießen und einen Blick hinüber zur Museumsinsel werfen. Die Archivalien in den tieferen Geschossen hingegen brauchen abgeschottetes Dunkel. Um dafür eine gestalterische Lösung zu finden, ließ sich Architekt Kurrle von fensterlosen Monumentalbauten altägyptischer Tempel anregen. Die Ziegelfassade soll an die Berliner Backsteinarchitektur anknüpfen. Doch das misslingt: Die Hommage an die lebendige Textur handwerklicher Baukunst scheitert an der schludrig wirkenden Bauausführung. Ein so minimalistischer Baukörper verzeiht es nicht, wenn sich Baufugen im Ziegelmauerwerk abzeichnen.
Innen überrascht die Architektur durch einen abrupten Tonartwechsel: Hier herrscht kühles Weiß, total. Böden, Wände, Treppen, selbst Stühle, Bücherregale und Bürotische sind weiß gestrichen. Soviel Tabula Rasa muss man erst einmal aushalten. Vielleicht inspiriert die exzessive Nicht-Farbe die Wissenschaftler zu unverhofften Gedankenblitzen - wie ein leeres, weißes Blatt Papier.
250 000 Bände umfasst die Präsenzbibliothek, eine der größten archäologischen Museumsbibliotheken weltweit. In den stabilen Stahlregalen der Studiensammlung lagern römische Kaiserporträtköpfe, angeschlagene Venus-Skulpturen, mythologische Reliefs und Mosaiken, allein 2500 Stücke aus der Antikensammlung. Auch die Kuratoren für Islamische, Ägyptische und Vorderasiatische Kunst haben ihre Schaudepots mit spektakulären, qualitätvollen Stücken gefüllt. In den Ausstellungssälen des Pergamonmuseums ist dafür längst kein Platz mehr. Fürs geschlossene Depot hingegen sind sie viel zu schade. Jetzt können auch externe Forscher die Originale hier unter die Lupe nehmen. Praktischerweise sind die tonnenschweren Steinobjekte im Erdgeschoss untergebracht. Die lichtempfindlichen orientalischen Textilien bezogen fensterlose Räume auf höherer Etage. Auch Fotostudios und Technikräume waren mit ihren speziellen Anforderungen zu berücksichtigen. Beglückt schwärmt ein Steinrestaurator von der perfekten Ausstattung seiner Werkstatt und verweist auf den begrünten Innenhof, wo er unterm Vordach sogar schon im Freien gearbeitet hat. Die engen Bürozellen im Verwaltungstrakt wirken weniger menschenfreundlich. Das aseptische Krankenhausflair der endlosen Flure animierte eine Archäologin sogleich zur Gegenwehr. Auf ihre Bürotür hat sie pinkfarbene Riesenblumen geklebt.
Dass bei der Ausstattung hart gerechnet wurde, ist an allen Ecken und Enden zu merken: an den preiswerten Metallregalen der Bibliothek ebenso wie in den Studiendepots, wo über den kostbaren Antikenköpfen die unverkleideten Rohre der Klimatechnik verlaufen. Auch das allgegenwärtige Weiß ist nicht nur eine stilbewusste architektonische Setzung. So ein All-Over-Anstrich kommt allemal günstiger als eine opulente Ausstattung mit Echtholz, wie sie die neue Bibliothek der Humboldt-Uni schräg gegenüber ihren Nutzern bietet.
Zusammen mit diesem 2009 von Max Dudler errichteten Bibliotheksgebäude definiert das Archäologische Zentrum einen neuen Stadtplatz. Wie ein Scharnier fügt es sich in das Dreieck zwischen dem quirligen Univiertel und der Museumsinsel ein. Diese städtebauliche Idee ist allerdings bislang nur auf dem Papier wirklich zu begreifen. Denn noch fehlt ein entscheidender Baustein: der umstrittene Neubau für eine Gemäldegalerie gegenüber des Bodemuseums. Noch stehen auf dem Areal öde Container und die geplante Gasse vom Archäologischen Zentrum zum Bodemuseum endet abrupt vor einem Wachregimentsbau aus DDR-Zeiten. Im Frühjahr soll die Entscheidung fallen, ob die Gemäldegalerie vom Kulturforum hierher umzieht. Das Archäologische Zentrum wurde so im Stadtraum platziert, als stünde nebenan bereits der erträumte Museumskomplex. Entsprechend optimistisch gaben sich Kulturstaatsminister Neumann und die Berliner Museumschefs, dass ihr großer Plan am Ende aufgeht.
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