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Donnerstag, 28. April 2011

Ai Weiwei und die Kunst der Aufklärung - eine Diskussion

Ai Weiwei bleibt verschwunden. Seit der Verhaftung des chinesischen Künstlers auf dem Pekinger Flughafen am 3. April gibt es kein Lebenszeichen von ihm, keinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort, keine Auskunft für die Angehörigen. Auch nach chinesischem Recht ist das ungesetzlich. Die chinesische Regierung demonstriert, dass die Künstler im Land nicht auf Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung von Menschenrechten hoffen können, wenn sie diese hörbar einklagen.
Weil das Ai Weiwei im In- und Ausland wiederholt getan hat, musste er im September 2009 in München bereits notoperiert werden. Der Schlag eines Polizisten auf den Kopf des Künstlers hatte eine Hirnblutung ausgelöst. Statt danach Ruhe zu geben, hat Ai Weiwei die Computertomografien der Kopfverletzung zum Kunstwerk erklärt und veröffentlicht (die Abbildung zeigt das Cover der Zeitschrift lettre, Nr. 87, März 2010).
Ähnlich auf den Kopf geschlagen fühlen sich deutsche Kulturpolitiker, Kulturvermittler und Museumsleute durch Ais Verschwindenlassen sofort nach der pompösen Eröffnung der deutschen Großausstellung „Die Kunst der Aufklärung” im Pekinger Nationalmuseum. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, spricht von einer „Ohrfeige”. Trotzdem rät er davon ab, die Schau vorzeitig abzubrechen. Man müsse dem gewachsenen Interesse der Chinesen an anderen Kulturen entgegenkommen, auch wenn sich das Regime so verhalte. Darin war sich das hochkarätige Podium einig, das in der Berliner Akademie der Künste über das weitere Vorgehen diskutierte.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) forderte die Freilassung des Künstlers, übte aber auch Kritik am devoten Auftreten der Museumsdirektoren aus München, Dresden und Berlin bei der Ausstellungseröffnung in Peking. Dass die vom Auswärtigen Amt mit 6,6 Millionen Euro finanzierte Schau kaum beworben werde, der Eintritt für Chinesen kostspielig und der Katalog unbezahlbar sei, gehe nicht an. Neumann wünscht eine Aktualisierung des Rahmenprogramms und eine bessere Vermittlung der anspruchsvollen Ausstellung. In puncto Diskussionskultur allerdings agierte der Minister alles andere als vorbildlich: Zwar redete er im vorbereiteten Statement nicht um den heißen Brei herum, wich aber dem Podiumsgespräch und damit unkontrollierbaren Nachfragen aus.
Egon Bahr, der während Willy Brandts Kanzlerschaft viele Verhandlungen mit autoritären Regimen im Ostblocks geführt hat, plädierte für Fingerspitzengefühl im weiteren Umgang mit der chinesischen Führung: „Wenn ich ein solches Land in seinem Prestigebedürfnis verletze, kann ich dem Einzelnen schaden, dem ich helfen will.” Der kurz vor der Ausstellungseröffnung von den Chinesen ausgeladene Sinologe Tilman Spengler rät dazu, weiter auf möglichst vielen Ebenen im Gespräch zu bleiben: „China ist in einem Wandlungsprozess, dessen Ausgang wir nicht kennen.” Spengler vermutet, dass die plötzliche Verhaftung Ai Weiweis durch Richtungskämpfe innerhalb des Kulturapparates ausgelöst worden sein könnte.
Auch Klaus-Dieter Lehmann, der Präsident des Goethe-Instituts, will die Laufzeit der Aufklärungsausstellung von einem Jahr für den Dialog nutzen. Ein Modell für künftigen Kulturaustausch sieht er in der Ausstellung nicht. Das Großprojekt sei zu einem Staatsakt geworden, das habe zu viel politische Aufmerksamkeit auf das Vorhaben gezogen und der Idee geschadet, den Chinesen die Grundlagen unserer Kultur näherzubringen. Herausgekommen sei eine Kunstausstellung, die „den Begriff der Aufklärung nicht wirklich vermittelt”. Dieses vernichtende Urteil wollte der mitverantwortliche Münchner Museumsdirektor Klaus Schrenk nicht auf sich sitzen lassen. Er hofft, dass die Schau nach der vollständigen Eröffnung des riesigen Pekinger Nationalmuseums im Juli wesentlich mehr Publikum findet und am Ende doch als kulturpolitischer Erfolg verbucht werden kann.

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