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Dienstag, 22. September 2015

100x Arno Schmidt in der Akademie der Künste

Einer der Zettelkästen Arno Schmidts für sein
Werk Zettels Traum. Foto: Bienert
Literatur wird aus Wörtern gemacht: nicht regelkonform, sondern spielerisch & schöpferisch. Arno Schmidt war ein besessener Sprachspieler, einer der größten der deutschen Literatur. Im Zentrum der ihm gewidmeten Ausstellung in der Akademie der Künste am Hanseatenweg steht ein Bildschirm, auf dem man 100 Wörter aus seinem Werk antippen kann: von „Alkohol“ über „ficken“ bis „Zustand“. Sechs kurze Werkzitate mit dem gewählten Wort leuchten dann nacheinander an der Decke des Raumes auf, und beim raschen Mitlesen wird sofort klar: Diese Sprache lebt!
Arno Schmidt
Foto: Alice Schmidt/
Arno Schmidt Stiftung
Mit Friedrich Forssman hat einer der fähigsten Schrift- und Buchgestalter das elegante Ausstellungsdesign entworfen. In einem abgedunkelten Raum kann man zwischen 100 Schlaglichtern auf Leben und Werk frei flanieren. In schicken Leuchtvitrinen sind Objekte aus dem Nachlass Arno Schmidts zu sehen – seine grüne Lederjacke, Einmachgläser und phallische Stehlampen aus dem Haus in Bargfeld, eine Goldkette seiner Frau, Manuskripte, Bücher, Zettelkästen und Schreibmaschinen. Die Objekte stehen für Themen, die nach Gegensatzpaaren geordnet sind: wie Buchhalter/Junggeselle, Goethe/Wieland, Potenz/Impotenz, Übersetzer/Übersetzter, Gesund/Krank et cetera. So wird ein Foto, das den jungen Dichter in Bodybuilderpose zeigt, mit der umfangreichen Medikamentensammlung vom Schreibtisch des späten Arno Schmidt konfrontiert: Das Schreiben als Beruf forderte seinen Tribut. Zitate, die den Objekten zugeordnet sind, demonstrieren die Welthaltigkeit der Sprachspiele Arno Schmidts. 1953 forderte er: „Jeder Schriftsteller sollte die Nessel Wirklichkeit fest anfassen und uns Alles zeigen: die schwarze schmierige Wurzel; den giftgrünen Natternstengel; die prahlende Blume(nbüchse).” In den Wirtschaftwunderjahren wurde wegen Pornografie und Gotteslästerung gegen Schmidt ermittelt, die konservative Literaturkritik bekämpfte ihn als grässlichen Sprachverschluderer. Die Ausstellung in der Akademie der Künste zeigt ihn als manischen Arbeiter, als werkbesessenen Einzelgänger, als humorvollen Sprachschöpfer, in dessen Sprachuniversum einzutauchen ein reines Vergnügen ist, selbst wenn man (noch) nicht zur eingeschworenen Fangemeinde gehört.

Arno Schmidt
Eine Ausstellung in 100 Stationen
Akademie der Künste am Hanseatenweg
bis 10. Januar 2016
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