Im Archäologischen Zentrum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz werden Kunstwerke optimal gelagert. |
Von Michael Bienert - Der Elektro-Oldtimer, den das Porsche-Museum seit Januar stolz als ältesten Original-Porsche präsentiert, verstaubte 103 Jahre lang unerkannt in einem Außendepot des Wiener Technikmuseums. Ein Fingerzeig, welches unentdeckte Potential in den Sammlungen von Museen vermutet werden darf. 60 bis 90 Prozent der Bestände bekommen die Besucher üblicherweise nie zu Gesicht. Dabei fehlt es oft nur an wenig Geld, um Kulturgüter von enormem Wert in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen.
In kritischem Zustand seien nicht nur jahrhundertalte Kunstwerke, so Philip Kurz von der Wüstenrot Stiftung, sondern auch viele relativ junge Arbeiten – vor allem, wenn die Künstler mit Materialien wie Fett, Lebensmitteln, Kunststoffen oder elektrischen Geräten experimentierten: „Hier betreten wir konservatorisches und restauratorisches Neuland.“ Ältere Kulturgüter seien oft durch mangelhafte Lagerbedingungen gefährdet. „Dabei genügt oft nur eine neue Tür, ein Fenster oder ein neues Regalsystem, um die Depots zu optimieren.“
Die Initiative „Kunst auf Lager“, die sich am Mittwoch in Berlin der Öffentlichkeit vorstellte, will Abhilfe schaffen. Neben der in Ludwigsburg ansässigen Wüstenrot Stiftung engagieren sich auch die Volkswagenstiftung aus Wolfsburg, die Hamburger ZEIT-Stiftung, die Niedersächsische Sparkassenstiftung, insgesamt zwölf an der Zahl, dabei soll es indes nicht bleiben. Sie alle möchten die rund 6000 Museen in Deutschland ermutigen, sich wieder stärker den verborgenen Schätzen in den eigenen Depots zu widmen. Zu sehr habe in den vergangenen Jahren der Fokus auf spektakulären Neuwerbungen und Wechselausstellungen gelegen, kritisiert Martin Hoernes von der Kulturstiftung der Länder. Dabei sei die Pflege des Bestands mindestens ebenso wichtig wie Ankäufe.
Die Museen seien mit dem Bewahren und Erforschen ihrer Bestände in Rückstand geraten, behauptet auch Sebastian Giesen von der Hamburger Reemtsma-Stiftung, einer der Initiatoren von „Kunst auf Lager“. Anschaulich berichtet Michael Rief, Restaurator am Aachener Stadtmuseum, vom Gewinn an Erkenntnis und Prestige, den Forschungen in den eigenen Sammlungen erbringen. So stellte sich alleine durch eine genaue Überprüfung der Holzarten religiöser Skulpturen heraus, dass frühere Zuschreibungen nicht stimmten. Sogenannte „Depotleichen“ aus Spanien entpuppten sich als seltene Meisterwerke aus Burgund, die nun stolz in der ständigen Sammlung gezeigt werden.
Ganz andere Probleme hat Nadine Thiel, Chefrestauratorin des 2009 eingestürzten Kölner Stadtarchivs. Wunderbarerweise konnten 95 Prozent des Bestandes aus dem nassen Krater geborgen werden, diese sind allerdings auch komplett restaurierungsbedürftig. 200 Vollzeitkräfte wären nötig, um den entstandenen Schaden in 30 bis 50 Jahren aufzuarbeiten. Das Gute an dieser Wahnsinnsaufgabe: Die Materialmassen sind so gewaltig, dass sie dazu zwingen, neue Methoden und Abläufe der Rettung von Kulturgut zu entwickeln. Ein Pionierprojekt, das von Spezialisten aus aller Welt aufmerksam beobachtet wird.
Die Initiative „Kunst auf Lager“ will den Kulturgütern im Depot eine Lobby geben, ohne zusätzliche Verwaltungskosten zu generieren. Deshalb wurden kein neuer Geldtopf und auch keine neue Stelle eingerichtet, die Anträge entgegen nimmt. Interessenten mögen sich weiterhin an die einzelnen Stiftungen wenden. Die signalisieren mit ihrer PR-Aktion großes Interesse, entsprechende Projekte zu fördern: Sei es nun die Erschließung und Erforschung, die Konservierung und Restaurierung, die Verbesserung der Infrastruktur und Logistik in den Depots. Auch Schaudepots können gefördert werden, damit mehr Bürger ein Bild von den Kunstschätzen im öffentlichen Besitz bekommen. Jetzt müssen die Museen nur noch Anträge schreiben. Wenn sie denn das Personal dafür haben.
Mehr unter www.kunst-auf-lager.de
Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 27. Februar 2014
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