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Montag, 24. Februar 2014

Die Gärten Venedigs - wirklich und unwirklich

Von Elke Linda Buchholz - Venedig ist aus Wasser und Stein gebaut. Bis an den Rand füllt das Zauberwerk der Architekten und Ingenieure den Körper der Stadt. Nicht der ideale Platz für Pflanzen, Bäume, saftiges Grünen und Blühen. Und doch: "Giardino Eden" steht auf dem Klingelschild am Kanal Rio delle Croce auf der Giudecca. Leider bleibt das Tor an der Fußgängerbrücke, die hinüber auf das Grundstück führt, verschlossen. Hinter Mauern erahnt man ernste Zypressen, verträumte Statuen, weitläufiges Terrain. Eine lauschige Loggia bröckelt in der salzigen Lagunenluft.
1884 hatte ein reiches englisches Ehepaar das Nutzgartengelände erworben: Caroline und Frederick Eden liehen dem Garten ihren biblischen Namen. In seinem 1903 erschienenen Buch "A Garden in Venice" schildert Sir Eden, wie sie hier am stadtabgewandten Rand der Serenissima einen romantischen Traum verwirklichten. Obst und Gemüse durften weiterhin reifen, hinzukamen Weinreben, Madonnenlilien, hunderte Rosenstöcke, von weither. Künstlerfreunde auf Italientrip flochten literarische Erinnerungsspuren. (Der 19jährige Jean Cocteau dichtete sein "Souvenir d'un soir d'automne au jardin Eden" in Gedanken an einen unglücklichen Freund, der sich auf den Marmorstufen der Kirch Santa Maria della Salute erschoss, nachdem sein Lover ihn ausgerechnet im Garten Eden verlassen hatte.) Rilke, Proust, Henry James sowie Gabriele d´Annunzio und seine Angebetete Eleonore Duse genossen kühle Schatten und Blütenfülle des Edenparadieses. Später ließ Friedensreich Hundertwasser das verwunschene Terrain sanft verwildern. Seine Wiener Nachlassstiftung hält den Garten unter Verschluss. Eine verwitterte Holzpergola, ein leeres Wasserbecken – mehr kann auch die Kunsthistorikerin Jenny Condie in ihrem Bildband "Die Gärten Venedigs und des Veneto" nicht vom Garten Eden zeigen. Aber sie erzählt seine Geschichte und hält den Wunsch wach, ihn zurückzugewinnen.

Dass fast alle Privatgärten Venedigs für Normalsterbliche unzugänglich sind, macht sie umso verlockender - und frustriert. Die in Venedig lebende Engländerin Jenny Condie stellt daher Gärten vor, die zugänglich sind, zumindest für hartnäckige Besucher. Auf der Giudecca lotst sie einen in noble Hotelparks und hinter Klosterpforten. Vom Turm der Kirche San Giorgio Maggiore wirft man einen Blick auf das verborgene Labyrinth im Kreuzgang. Seine Buchshecken ahmen, von Louis Borges inspiriert, die Form eines aufgeschlagenen Buches nach. Zwischen Prachtpalazzi am Canal Grande macht die Autorin auf die "Blütenexplosion" eines eleganten Rosengartens aufmerksam, den eine Contessa liebevoll hegt. En passant erfährt man, wie eigentlich die Trinkwasserversorgung in der Lagunenstadt funktionierte, warum die Gärten Venedigs so hoch liegen und was der Architekt Carlo Scarpa bei seinem ultramodernen Museumsgarten im Sinn hatte.
Der überwiegende Teil des Buches jedoch ist eine Reise quer durch die Terra Ferma Venedigs, das Festland von Verona bis Rovigo, von Vicenza bis Padua. Es geht zu berühmten Anwesen, wie Paladios Villa Barbaro in Maser, in den ältesten Botanischen Garten Europas und zu weniger bekannten Adressen. Sehr präzise spürt die Autorin der Komposition der Gärten nach, dem Zusammenspiel von Pflanzen, Skulpturen, Geometrie, Wasserkunst und Architektur. Sie erzählt von den Menschen, die diese Gärten schufen und von den Ideen, die sie antrieben: Freimaurergeist, englische Gartenideale, fromme Symbolik, strenge Proportionsliebe oder eine neuer Sinn für die Zufälle einer sich selbst überlassenen Natur.
Für ein so üppig bebildertes Gartenbuch ungewöhnlich: Die farbigen, atmosphärischen und zugleich informativen Texte sind besser als die Fotografien. Die geben zwar gestochen scharf jedes Blättchen wieder, aber worin der besondere Zauber, Charakter und Eigensinn jedes einzelnen Gartenkunstwerks liegt, das vermitteln erst die Texte. Schade, dass auf Gartenpläne verzichtet wurde.

Jenny Condie (mit Fotos von Alex Ramsay)
Die Gärten Venedigs und der Veneto. 
DVA, München 2013
208 Seiten, 200 Abbildungen, gebunden. 
Preis: 49,99 Euro

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