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Freitag, 21. Februar 2014

Max Herrmann - ein Gelehrtenleben in Berlin

"Die Opfer des Nationalsozialismus starben häufig in zwiefacher Form: zunächst physisch und anschließend ein zweites Mal durch den Mangel an Dokumenten und Schriftzeugnissen, die ihre Biographie zumindest retrospektiv erhellen könnten", schreibt Martin Hollender, der Chronist der Berliner Staatsbibliothek, im Vorwort seiner umfangreichen Biografie über den Germanisten und Theaterwissenschaftler Max Hermann. Er starb am 17. November 1942 hoch betagt im Lager Theresienstadt, nach Jahren des erzwungenen Vergessenwerdens, der Schikanierung und Ausplünderung unter dem NS-Regime. Anders als bei nichtjüdische Germanisten von Rang gibt es keinen Nachlass, nur eine postum aufgebaute Materialiensammlung zur Herrmanns Leben und Wirken in der Staatsbibliothek. Aber sein Biograf war unendlich fleißig und findig, das zeigt schon der flüchtige Blick auf die 44 Kapitel und 1120 Anmerkungen dieses Buches über ein äußerlich ereignisarmes, jedoch arbeitsames Gelehrtenleben in Kaiserzeit, Republik und als Verfemter unter der NS-Diktatur. Wegen seiner jüdischen Herkunft hatte Max Herrmann schon als junger Wissenschaftler mit antisemtischen Vorurteilen und Karriereblockaden zu kämpfen, was ihn vielleicht zusätzlich anspornte: Seine Hörer beschrieben ihn als unvergesslichen, charismatischen Hochschullehrer, der sich Respekt unter den Fachkollegen zu verschaffen wusste, aber auch über die Universität hinaus hoch geschätzt wurde. Herrmann gelang es, die Theaterwissenschaft im Berliner Universitätsbetrieb zu etablieren und ein eigenes Institut für sie zu gründen. Sein Biograf erzählt von der Karriere dieses wunderlichen, liebenswürdigen und etwas weltfremden Professors so geschickt, dass sie die Zeitumstände erhellt, dabei ist es durchaus ein Lesevergnügen, seiner Darstellung zu folgen. Verlegt hat das Buch die Staatsbibliothek zu Berlin, die ihren ehemaligen treuen Benutzer jedes Jahr durch die Vergabe des Max-Herrmann-Preises ehrt - an Persönlichkeiten, die sich um das Bibliothekswesen verdient gemacht haben. Im Bibliotheksshop des Hauses an der Potsdamer Straße kostet es nur 17 Euro, im Buchhandel 24 Euro.

Martin Hollender
Der Berliner Germanist und Theaterwissenschaftler Max Herrmann (1865-1942)
Leben und Werk
Beiträge aus der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Band 42
Berlin 2013
Gebunden, 380 Seiten, ISBN 978-3-88053-184-0

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