Fotos: Elke Linda Buchholz |
Auf Präsentationsfotos, zumal nächtlich erleuchtet, glitzert
das Bauwerk so gläsern und immateriell wie Mies van der Rohes utopischer Wolkenkratzerentwurf
für die Friedrichstraße aus den Zwanziger Jahren. Realiter bei Tageslicht sieht
das Ganze zunächst weniger spektakulär aus. Aber wie viel Gestaltungsspielraum
hatten die Architekten überhaupt? Der Investor OmniCon als Bauherr, der Nutzer
Total und die Berliner Senatsbauverwaltung - alle hatten ein Wörtchen
mitzureden. Der städtebauliche Masterplan schrieb die Kubatur des Baus in
Grundzügen bereits vor. 18000 Quadratmeter Nutzfläche waren zu schaffen, plus
drei Tiefgaragenetagen unter der Erde.
Die durchdachte Eleganz des Entwurfs zeigt sich bei näherem
Blick. Das regelmäßige Raster der wandhohen, schlanken Fenster belebt sich
durch ein feingliedriges Fassadenrelief aus vorgehängten Betonelementen. Die
Stege akzentuieren mit asymmetrisch gebrochenen Kanten und Schrägen vor allem
die Vertikale des 70 Meter hohen Bauwerks: Dieser Tour Total will wirklich ein
Hochhaus sein. Einen ursprünglich vorgesehen, niedrigeren Vorbau trennten
Barkow und Leibinger beherzt ab. Er soll in seinem zweiten Bauabschnitt als
separater Baukörper realisiert werden. Die bautechnisch diffizile Fassade ist der Clou des Bürotowers.
"Für mich ist es wie ein transparentes, weißes Kleid, was man über einen
Körper wirft," sagt Regine Leibinger, die zuvor in Potsdam, Korea und in
Ditzingen für die Firma Trumpf gebaut hat: "Mit jeder Bewegung des Lichts
verändert es sich." Hinzukommt eine leichte Achsenverschwenkung, die aus
der vorgesehenen Rechteckscheibe einen asymmetrischen Körper mit
"Knick" in der Mitte machte.
Mit minimalen Akzentsetzungen haben die Architekten Stil
bewiesen, ohne groß aufzutrumpfen. Nebenbei ist das Ganze auch noch energetisch
vorbildlich ausgeführt. Die 500 Mitarbeiter, die hier überwiegend in
Großraumbüros an ihren Computern schuften, dürfen sogar von Hand die Fenster
öffnen, um Frischluft einzulassen. Und sie können sich von der atemberaubenden
Sicht in den höher gelegenen Geschossen beflügeln lassen. Ein tolleren Blick über
die Hauptstadt gibt es derzeit kaum.
ERSTDRUCK: Stuttgarter Zeitung vom 17. Oktober 2012.
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