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Mittwoch, 17. Oktober 2012

Tour Total - das jüngste Hochhaus Berlins im filigranen Spitzengewand


Fotos: Elke Linda Buchholz
Von Elke Linda Buchholz - Eigentlich wollte der Mineralölkonzern Total nur eine Tankstelle bauen. Eine Wasserstofftankstelle wünschte sich das nahe gelegene Bundeswirtschaftsministerium. Stattdessen ragt nun eine strahlend weiße Hochhausscheibe mit 17 Geschossen in den Berliner Himmel, die neue Deutschlandzentrale des in Paris ansässigen Unternehmens. Noch steht der Bau als einsamer Solitär im urbanen Niemandsland nördlich des Hauptbahnhofs, umzingelt von schmuddeligen Lagerschuppen, Busparkplätzen, Großbaustellen und Verkehrsschneise. Längst sollte hier ein 40 Hektar großes Stadtquartier für Wohnen und Büros mit Namen Europacity entstehen, mit Wohnungen am Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal und punktueller Hochhausverdichtung am Bahnhofsvorplatz. So der strategische Masterplan der Senatsverwaltung. Der jetzt eingeweihte "Tour Total" des amerikanisch-schwäbischen Architektenduos Barkow Leibinger ist der erste Baustein zu diesem ehrgeizigen Vorhaben, dessen Areal größer ist als die Potsdamer Platz-Bebauung aus der Nachwendezeit.
Auf Präsentationsfotos, zumal nächtlich erleuchtet, glitzert das Bauwerk so gläsern und immateriell wie Mies van der Rohes utopischer Wolkenkratzerentwurf für die Friedrichstraße aus den Zwanziger Jahren. Realiter bei Tageslicht sieht das Ganze zunächst weniger spektakulär aus. Aber wie viel Gestaltungsspielraum hatten die Architekten überhaupt? Der Investor OmniCon als Bauherr, der Nutzer Total und die Berliner Senatsbauverwaltung - alle hatten ein Wörtchen mitzureden. Der städtebauliche Masterplan schrieb die Kubatur des Baus in Grundzügen bereits vor. 18000 Quadratmeter Nutzfläche waren zu schaffen, plus drei Tiefgaragenetagen unter der Erde.
Die durchdachte Eleganz des Entwurfs zeigt sich bei näherem Blick. Das regelmäßige Raster der wandhohen, schlanken Fenster belebt sich durch ein feingliedriges Fassadenrelief aus vorgehängten Betonelementen. Die Stege akzentuieren mit asymmetrisch gebrochenen Kanten und Schrägen vor allem die Vertikale des 70 Meter hohen Bauwerks: Dieser Tour Total will wirklich ein Hochhaus sein. Einen ursprünglich vorgesehen, niedrigeren Vorbau trennten Barkow und Leibinger beherzt ab. Er soll in seinem zweiten Bauabschnitt als separater Baukörper realisiert werden. Die bautechnisch diffizile Fassade ist der Clou des Bürotowers. "Für mich ist es wie ein transparentes, weißes Kleid, was man über einen Körper wirft," sagt Regine Leibinger, die zuvor in Potsdam, Korea und in Ditzingen für die Firma Trumpf gebaut hat: "Mit jeder Bewegung des Lichts verändert es sich." Hinzukommt eine leichte Achsenverschwenkung, die aus der vorgesehenen Rechteckscheibe einen asymmetrischen Körper mit "Knick" in der Mitte machte.
Mit minimalen Akzentsetzungen haben die Architekten Stil bewiesen, ohne groß aufzutrumpfen. Nebenbei ist das Ganze auch noch energetisch vorbildlich ausgeführt. Die 500 Mitarbeiter, die hier überwiegend in Großraumbüros an ihren Computern schuften, dürfen sogar von Hand die Fenster öffnen, um Frischluft einzulassen. Und sie können sich von der atemberaubenden Sicht in den höher gelegenen Geschossen beflügeln lassen. Ein tolleren Blick über die Hauptstadt gibt es derzeit kaum.

ERSTDRUCK: Stuttgarter Zeitung vom 17. Oktober 2012. 

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