Ideale Räume für die Kunst des 20. Jahrhunderts? Ein Kabinett der Berliner Gemäldegalerie. |
Neu
sind diese Gedankenspiele nicht. Aber sie waren als reines Wunschdenken
abgehakt, seit 2008 der umtriebige Generaldirektor der Museen Peter-Klaus
Schuster in den Ruhestand geschickt wurde. Mit einem Generationswechsel an der
Spitze der Museen schien ein eher nüchterner und pragmatischer Geist
einzuziehen. Der heutige Generaldirektor Michael Eissenhauer und Nationalgalerie-Chef
Udo Kittelmann bewiesen, dass man auch mit beschränkten Ressourcen tolle
Ausstellungen stemmen kann.
Jetzt
aber werden die ehrgeizigen Pläne wieder aus der Schublade geholt, weil ein
anderer dicker Fisch im Netz zappelt. Vor zwei Jahren unterzeichnete das Ehepaar Pietzsch einen Schenkungsvertrag
zugunsten der Berliner Museen über seine Surrealisten-Sammlung. Der Schätzwert
der Werke von Künstlern wie Marcel Duchamp, Joan Miró, Max Ernst oder Mark
Rothko liegt bei 120 bis 180 Millionen Euro. Dem Ehepaar wurde versprochen,
diese Werke dauerhaft in die Präsentation der Sammlung der Neuen
Nationalgalerie zu integrieren. Dabei sieht sich deren Chef Udo Kittelmann schon
so außerstande, die vorhandenen Kunst des 20. Jahrhunderts umfassend zu zeigen.
Um die Bedingung der Sammler zu erfüllen, bewilligte Mitte Juni der Haushaltsausschuss
des Bundestags 10 Millionen Euro
für den Umbau der Gemäldegalerie am Kulturforum zu einem Museum des 20.
Jahrhunderts.
Dieser
überraschende Schachzug hat Folgen: Die Hälfte der Alten Meister wird auf
unabsehbare Zeit im Depot verschwinden. Die Spitzenwerke vom Rembrandt, Rubens oder
Caravaggio sollen vorläufig zusammen mit der Skulpturensammlung im bereits
renovierten Bode-Museum gezeigt werden. Sie könnten zusätzliche Besucher
dorthin ziehen und auch die Alten Meister vom Touristenstrom auf der
Museumsinsel profitieren – so die Hoffung der Museumsstrategen. Aber die
Gemäldegalerie als eigene Sammlung von Weltrang wäre nicht mehr sichtbar: ein hoher
Preis für das Surrealisten-Geschenk!
Und
sind die noblen Oberlichtsäle der Gemäldegalerie wirklich der optimale Ort für
die Avantgarden des 20. Jahrhunderts? Dafür spricht die Nachbarschaft zum Mies-Bau
am Kulturforum – mehr nicht. Das in die Jahre gekommene Stammhaus der Moderne
muss demnächst generalsaniert werden, da bietet sich die heutige Gemäldegalerie
kurzfristig als Ausweichquartier an. Langfristig gewonnen ist mit all dem
Kunstgeschiebe gar nichts, solange niemand erklärt, woher die 150 oder doch
wohl eher 300 Millionen Euro für eine neue Gemäldegalerie fließen sollen.
Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 30. Juni 2012
Weitere Texte zum Thema:
■ Andreas Kilb kommentierte die Pläne in der FAZ vom 13. Juni 2012 als Kunstluftnummer.
■ Bernhard Schulz im Tagesspiegel vom 14. Juni 2012.
■ Niklas Maak in der FAZ vom 28. Juni 2012
■ Nikolaus Bernau über "Barbarei und Irrsinn" in der Frankfurter Rundschau vom 4. Juli 2012.
Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 30. Juni 2012
Weitere Texte zum Thema:
■ Andreas Kilb kommentierte die Pläne in der FAZ vom 13. Juni 2012 als Kunstluftnummer.
■ Bernhard Schulz im Tagesspiegel vom 14. Juni 2012.
■ Niklas Maak in der FAZ vom 28. Juni 2012
■ Nikolaus Bernau über "Barbarei und Irrsinn" in der Frankfurter Rundschau vom 4. Juli 2012.
Berlin, den 4.7.2012
AntwortenLöschenPRESSEMITTEILUNG DER STAATLICHEN MUSSEN ZU BERLIN
Zum geplanten Umbau der Gemäldegalerie
Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, erklärt zur aktuellen Debatte um den Umbau der Gemäldegalerie am Kul- turforum zu einer Galerie des 20. Jahrhunderts: „Alle Vorwürfe, wir würden mit unserer hochkarätigen Sammlung der Ge- mäldegalerie verantwortungslos umgehen, weisen wir entschieden zu- rück. Wir streben einen Prozess an, der den Sammlungen sowohl der Al- ten Meister als auch der Kunst der Moderne dauerhaft den ihnen gebüh- renden Raum sichert. Dabei ist unser Ziel, die Gemäldepräsentation zu erweitern und gemeinsam mit den Skulpturen im Bode-Museum zu vereinen. Da das Bode-Museum für die Präsentation dieser beiden Sammlungen zu klein ist, planen wir einen Erweiterungsbau gegenüber an den Museumshöfen.“
Bernd Lindemann, Direktor der Gemäldegalerie, äußert sich zu dem Vor- haben: „Maler und Bildhauer haben sich über Jahrhunderte hinweg gegenseitig inspiriert. Mit der Ausstellung ‚Gesichter der Renaissance’ im vergangenen Jahr haben wir im Bode-Museum gezeigt, welcher Gewinn die Zusammenführung dieser beiden Sammlungen ist. Wie Wilhelm von Bode wollen wir die Sammlungen im Dialog zeigen: Donatello und Masaccio, Riemenschneider und Dürer, Houdon und Chardin. Diese Zusammenführung würde eine erfolgreiche Berliner Tradition wieder ins Leben rufen, die 1933 unterbrochen wurde. Sie kann nur vom Bode-Museum ausgehen, da dieses Gebäude als Zuhause für die Gemäldegalerie und Skulpturensammlung konzipiert wurde.“