Grellgelb und Lila,
das waren die Theatertreffenfarben des letzten Jahres. Thomas Oberender, neuer
Intendant der Berliner Festspiele, setzt auf weniger schrille Signale: Als
neues Festspiellogo hat er einen rechteckigen roten Rahmen eingeführt, der sich
auf alle möglichen Motive applizieren lässt. Grauer Karton kleidet die
Pressemappen, die Typografie ist gediegen. Weiß, rosa und zartgrün liegt die auf angenehmem Papier gedruckte Programmzeitschrift
des Theatertreffens in der Hand.
Das alles deutet
auf Entschleunigung, auf mehr Nachdenklichkeit und weniger Party. Wie eine
roter Faden zieht sich die Frage nach dem Umgang mit Zeit durch die
Vorab-Statements der Theatertreffen-Verantwortlichen. Die neue Leiterin Yvonne
Büdenhölzer verweist stolz auf die Gesamtspieldauer der zehn ausgewählten
Inszenierungen von 135 Stunden und 20 Minuten (einschließlich Wiederholungen)
während des Festivals. Ein zweiteiliger “Faust” darf da nicht fehlen, indes
bleibt Nicolas Stemanns Inszenierung mit 8 Stunden Spieldauer durchaus im
üblichen Rahmen.
Anders die bis zu
zwölf Stunden dauernde Extrem-Performance nach Motiven von Ibsens "John
Gabriel Borkman", eingerichtet von dem deutsch-norwegischen Trio Vegard
Vinge, Ida Müller und Trond Reinholdsen. Sie sind Debütanten auf dem
Theatertreffen, wie die Hälfte der Regisseure. Ein Signal, dass die Maßstäbe
der siebenköpfigen Jury sich geändert haben. Früher kam bei der Suche nach den zehn
"bemerkenswertesten" Aufführungen regelmässig ein Gipfeltreffen der
Großregisseure zustande. Diesmal zeichnet bei drei der zehn Produktionen ein
Theaterkollektiv für die Inszenierung verantwortlich.
Wie “Borkman” ist
auch das "Hate Radio" von Milo Rau eine internationale Koproduktion: Dokumentarisch
genau rekonstruiert die Aufführung den Völkermord an den Tutsi in Ruanda aus
der Perspektive eine Radiosenders. Gesprochen wird Französisch und Kinyarwada.
In dem Bob-Squad-Stück "Before your Eyes" hört man Englisch und
Flämisch aus dem Mund von sieben Jugendlichen, die im Schnelldurchlauf das
Spiel des Lebens von der Geburt bis zum Tod verkörpern. In den Augen der Jury
spiegeln solche Nominierungen den Trend zu einer Internationalisierung des
deutschsprachigen Theaterbetriebs. Damit vollzieht das Hauptprogramm eine
Entwicklung des Stückemarkts nach, der bereits vor Jahren für Einsendungen aus
ganz Europa geöffnet wurde. In diesem Jahr ist mit Markus&Markus nun
erstmals auch ein Performancekollektiv bei dem Autorenwettstreit vertreten.
Da sich die
experimentellen Formate nicht auf große Bühne des Festvialhauses verpflanzen
lassen, sind die Karten für die ungewöhnlichsten Aufführungen besonders knapp. Und leider kapituliert auch das
Fernsehen davor. Mit Herbert Fritschs “Die (s)panische Fliege”, René Polleschs
“Kill you Darlings!” und Karin Henkels “Macbeth” strahlt der Sender 3sat nur
drei relativ bequem adaptierbare Inszenierungen aus, die am 18. bis 20. Mai bei
freiem Eintritt auch auf der großen Videowand im Sony Center gezeigt werden.
Der in “zdf.kultur” umgemodelte
ehemalige Theaterkanal spielt als Echoverstärker für das Theatertreffen beinahe
keine Rolle mehr. Umso intensiver kommuniziert das Festival mittlerweile via
Theatertreffen-Blog mit dem Rest der Theaterwelt.
Das Theatertreffen
dauert bis 21. Mai. Infos:
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