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Samstag, 24. März 2018

Max Beckmanns Welttheater in Potsdam

Von Elke Linda Buchholz - Das ganze Leben als Bühnenspektakel zwischen Comedy und Tragödie: Diesen Gedanken hat Max Beckmann (1884-1950) in zahllosen Variationen gemalt – in grellen Farben, exaltierten Posen und wechselnden Kostümen. Der Klassiker der Moderne inszenierte sich und seine Zeitgenossen mit Vorliebe als Artisten und Karnevalisten auf den Bretterbühnen seiner Leinwände. Weiterlesen auf http://kunstundfilm.de/2018/03/max-beckmann-welttheater/

Donnerstag, 22. März 2018

Exil ist keine Kunst - Privatinitiativen für ein Exilmuseum und die Ideenlosigkeit der Kulturpolitik

Thomas B. Schumann wirbt für sein
Exilmuseum. Foto: Bienert
Von Michael Bienert - In Berlin will ein erfolgreicher Kunsthändler sein Lebenswerk krönen, indem er der Stadt ein Museum schenkt, das dauerhaft an die von den Nazis vertriebenen Mitbürger und Künstler erinnert. Der Mann hat Geld und ein Netzwerk, aber keine Sammlung, die auf den Museumszweck zugeschnitten wäre. In der Nähe von Köln sitzt ein manischer Sammler in einem zweistöckigen Bungalow, vollgestopft mit 50.000 Büchern, vor allem von Exilautoren, mit Dokumenten, ganzen Nachlässen und 700 Bildwerken, die von exilierten Künstlern stammen. Seit zehn Jahren sucht der Rheinländer einen Ort und Unterstützung für ein Museum des Exils. Was läge also näher, als dass die beiden unternehmungslustigen älteren Herren sich zusammentun, um ihren Traum gemeinsam zu realisieren?

Montag, 19. März 2018

Im Theater (65): Sandra Leupold inszeniert Sciarrinos "Die tödliche Blume" in Lübeck

Theater Lübeck
Von Michael Bienert - Ist das schon Musik oder nur ein Nebengeräusch vom Sitznachbarn? In Salvatore Sciarrinos Oper "Die tödliche Blume" stellt sich diese Frage unvermeidlich. Fünffaches Pianissimo, das aus der Lautlosigkeit kommt und wieder aushaucht, wird den Musikern mehr als einmal abverlangt. Dabei sollen sie den Instrumenten laut Partitur höchst unkonventionelle Klänge entlocken. So erinnert der Orchesterklang bisweilen an elektronische experimentelle Musik der 1960er Jahre: Wie das brummt, haucht, sirrt, rappelt und trappelt, oft an der Grenze der Hörbarkeit, und wie sich das mit dem Räuspern und den Magengeräuschen des Nebenmenschen im Publikum vermengt!  Mucksmäuschenstill ist das geduldigste Opernpublikum nicht, und im Lübecker Stadttheater sitzen weniger Neue-Musik-Fanatiker als betagte Operngänger. Dass sie sich hörend wahrnehmen, ist vom Komponisten ganz sicher mitbedacht, ja erwünscht. Denn seine Oper soll nichts übertönen, sondern im Gegenteil: Sciarrino will den Hörsinn schärfen und damit die Welt ein bisschen besser machen. Sensibilisierung für das Ausgeblendete, Überhörte, nicht als Klang und Musik Akzeptierte ist das pädagogische Ziel. Weswegen das Publikum schon vor Beginn der Vorstellung im Foyer an Hörstationen Stimmen lauschen oder durch eine mit bunten Eierkartons ausgeschlagene Hörmuschel kriechen darf, in der das Geräusch der Menge von Schritt zu Schritt eine andere Farbe annimmt.

Sonntag, 11. März 2018

Im Theater (64): Brechts "Kreidekreis" als Fluchtgeschichte am Berliner Ensemble

Von Michael Bienert - Wer eine E-Gitarren-Allergie hat, muss um diese Inszenierung einen Bogen machen. Wer die Leadgitarre von Jimmy Page in Led Zeppelins "Dazed And Confused" schon immer liebte, kommt ganz sicher seine Kosten. Gut eineinhalb Stunden dröhnt, jault, zirpt und singt es aus dem Gitarrenverstärker ganz hinten auf der leeren Bühne des Berliner Ensembles, manchmal an der Schmerzgrenze. Der Gitarrist Kai Brückner baut live für die Ohren das fehlende Bühnenbild zu Brechts "Kaukasischem Kreidekreis" in der Regie des Hardrock-Liebhabers Michael Thalheimer. Es ist eine der Inszenierungen, mit denen Intendant Oliver Reese das Berliner Ensemble vor einem halben Jahr wiedereröffnet hat, die erste Brecht-Inszenierung unter der neuen Intendanz. Wie geht es weiter mit der Brecht-Aufführungstradition an diesem Haus, von dem - komme was da wolle - immer noch wegweisende Brecht-Inszierungen erwartet werden?

Freitag, 9. März 2018

Berliner Blätter in Altenburg. Das Lindenau-Museum zeigt Arbeiten aus der Sammlung Volker Sachse

Paul Paeschke, Potsdamer Platz (um 1919)
Von Michael Bienert - Verkehrschaos auf dem Potsdamer Platz, Boxkämpfe im Sportpalast, Straßenprostitution und triste Mietskasernen - das alles ist noch zum 10. Juni 2018 im Lindenau-Museum in Altenburg nachzuerleben. 2011 erbte das Haus eine mehr als 10.000 Blätter umfassende Sammlung von Druckgrafik des 20. Jahrhunderts, die der Berliner Jurist Volker Sachse seit den 1970er Jahren zusammengetragen hatte. Einen thematischen Schwerpunkt bildet darin das Berlin der Weimarer Republik, vertreten sind viele bekannte Namen - wie Kollwitz, Grosz, Schlichter, Barlach, Beckmann -, aber auch größere Konvolute mit Berlin-Ansichten weniger bekannter Zeitgenossen wie Hans Gabriel und Rudi Lesser. Die Sammlung Sachse wurde in den vergangenen Jahren erschlossen, kuratiert von der dafür zuständigen Mitarbeiterin Sophie Thorak zeigt das Haus nun eine aussagekräftige Auswahl von "Berliner Blättern" aus dem Zeitraum 1914 bis 1934.
Hans Gabriel, Spree mit Stadtbahnbögen
Es waren harte Jahre für die Berliner: Krieg, Lebensmittelknappheit, Revolution und Inflation mussten sie durchstehen, die wirtschaftliche und politische Stabilisierung ab 1924 währte nicht lange, schließlich führte die Weltwirtschaftskrise zu neuerlicher Verelendung, politischer Polarisierung und dem Untergang der Republik. Die Härte des damaligen Großstadtalltags ist in den meisten ausgestellten Kunstwerken zu spüren, vom angeblichen  Glanz der Zwanziger Jahre wenig zu sehen. Der Parcours durch die grafischen Arbeiten der Jahre endet in einem neu eingerichteten Oberlichtsaal mit farbintensiven Gemälden und Skulpturen aus der reichen Sammlung des Lindenau-Museums, unter anderem von Barlach, Kolbe, Dix und Conrad Felixmüller - das alles fügt sich zu einer inhaltlich plausiblen, klug gehängten und sorgfältig kommentierten Präsentation der Berliner Großstadtkunst der Zwanziger Jahre.

Ernst Oppler, Boxkampf im
Sportpalast (1920)
Berliner Blätter
Aus der Sammlung Volker Sachse
Lindenau-Museum Altenburg
Geöffnet täglich außer montags 12-18 Uhr,
am Wochenende 10-18 Uhr.
Bis 10. Juni 2018
www.lindenau-museum.de

Mittwoch, 31. Januar 2018

Max Reinhardts Reisetasche wieder in Berlin

Einen Kleinlaster voller Dokumente und persönlicher Gegenstände aus dem privaten Nachlass Max Reinhardts hat das Stadtmuseum Berlin erworben, zu welchem Preis, darüber wurde Stillschweigen vereinbart. Ein paar Stücke aus der Erwerbung wurden heute am Rand des Jahrespressekonferenz des Stadtmuseums gezeigt: eine offenbar viel benutzte Reisetasche des alle überragenden Berliner Theaterregisseurs des frühen 20. Jahrhunderts, ein von ihm selbst entworfenes Siegel, eine Krawattennadel und ein Zeitungsetui, Theaterzettel und das „Time“-Magazin mit dem Konterfei des vor den Nazis ins Exil geflohenen Theatermannes auf dem Titel. Der umfangreiche Bestand wird nun erschlossen und soll danach in der digitalen Sammlungspräsentation des Stadtmuseums recherchierbar sein. Das Stadtmuseum verfügt ohnehin über eine riesige theaterhistorische Sammlung, die Gegenstände aus den Besitz Max Reinhardts ergänzen sie um Objekte mit einer ganz persönlichen Aura.

Freitag, 26. Januar 2018

Die Berliner Secession nach der Revolution

Das 1921 zum Theater am Kurfürstendamm umgewidmete
Secessionsgebäude am Kurfürstendamm 208/209. Was
noch davon da ist, wird 2018 komplett abgerissen.
Von Michael Bienert - Die Berliner Secession gilt als die bedeutendste Künstlervereinigung in der deutschen Hauptstadt vor dem Ersten Weltkrieg: Sie war Sammelbecken und die Ausstellungsplattform der „Modernen“, die künstlerische Ausdrucksformen jenseits der akademischen Kunst des Kaiserreichs suchten. Mit dessen Untergang verschoben sich die Fronten: Protagonisten der Berliner Secession wie Max Liebermann oder Käthe Kollwitz wurden in der Weimarer Republik zu Leitfiguren der Preußischen Akademie der Künste. In der Kunst- und Kulturgeschichtsschreibung der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg spielt die Secession daher nur noch eine Nebenrolle. In ihrem Buch Die Berliner Secession 1899-1937 verändert Anke Matelowki diese vertraute Perspektive auf den Gegenstand: Vier Fünftel des Buches widmen sich der Zeit zwischen dem Überlebenskampf der Secession nach dem Ersten Weltkrieg bis zum sang- und klanglosen Verschwinden aus dem NS-Kulturbetrieb nach der letzten dokumentierten Ausstellung im Jahr 1936. Die Secession stand in dieser Zeit nicht länger in lebendiger Opposition zu einer herrschenden Kunstrichtung, blieb aber ein lebendiger Interessenverband und ein Ausstellungsforum für fast alle modernen Kunstströmungen der Zeit. So waren Otto Dix und George Grosz in den Secessionsausstellungen vertreten, Bildhauerinnen wie Renée Sintenis und Milly Steeger, viele jüdische Künstler, aber eben auch die späteren Nazi-Staatsbildhauer Arno Breker und Josef Thorak. Akribisch hat Anke Matelowski über viele Jahrzehnte Dokumente zusammengetragen, nicht nur in der Akademie der Künste, wo sie als Archivmitarbeiterin an der Quelle sitzt, sondern in zahllosen Archiven. Das Ergebnis ist ein wissenschaftliches Standardwerk zum Auf und Ab im Berliner Kunstleben der Weimarer Republik, denn nicht nur die Geschichte der Secession wird nacherzählt, ebenso werden ihre Stellung innerhalb des Kunstbetriebs, ihre Beziehungen zu anderen Künstlervereinigungen und die wirtschaftliche Situation der Künstler generell beleuchtet. Der Schweizer Nimbus-Verlag hat ein schönes Kunstbuch aus diesem Werk der kunst- und kulturwissenschaftlichen Grundlagenforschung gemacht, das auch einen gewichtigen Beitrag zur Berlin-Forschung darstellt.

Anke Matelowski
Die Berliner Secession 1899-1937
Chronik, Kontext, Schicksal
Wädenswil 2017
680 Seiten, 68 Euro
ISBN 978-3-03850-033-9
Weitere Infos

Mittwoch, 10. Januar 2018

Hyperlokal, kosmopolitisch und kinderfreundlich - der Neustart am Literaturhaus Berlin

Literaturhaus Fasanenstraße 23
Foto: Bienert
"Was ist das für ein Haus hier?" Mit dieser Frage haben sich Janina Gelinek und Sonja Longolius erfolgreich um ihren neuen Arbeitsplatz beworben. Seit dem 1. Januar 2018 leiten die Literaturwissenschaftlerinnen und -vermittlerinnen das Literaturhaus in der Berliner Fasanenstraße, besser gesagt: Sie bereiten den Programmstart pünktlich zum kalendarischen Frühlingsanfang vor. Ihr neues Konzept für die alte Villa ist inspiriert von dessen Geschichte: In der Gründerzeit erbaut für einen Korvettenkapitän, war es später Lazarett, Volksküche, Studentenklub, Café, Diskothek, Bordell - und ab 1986 das erste Literaturhaus, das sich so nannte, Vorbild für inzwischen über 20 Literaturhäuser im deutschsprachigen Raum. Der vorige Leiter Ernest Wichen gehörte noch der Gründergeneration an, jetzt übernimmt eine deutlich jüngere Generation das Steuer in der Kapitänsvilla.
"Wir sind die Erasmus-Generation" fasst Gelinek den kosmopolitischen Werdegang der neuen Leitung zusammen, die bestürzt ist darüber, dass ein Europa ohne spürbare Binnengrenzen neuerdings wieder infrage gestellt wird. Deshalb soll das Literaturhaus zum "Reservelazarett" für den europäischen Gedanken werden, gar ein europäischer Feiertag in der Fasanenstraße ausgerufen werden. "Wohnhaus" soll es sein für die wachsende Zahl von Alt- und Neuberlinern, als "Clubhaus" wieder attraktiv für Studierende werden, "Garküche" für das Sprachenwirrwarr der nach Berlin Geflüchteten. Im "Freudenhaus" werden neue Veranstaltungsformate ausprobiert und unter der Rubrik "Baumhaus" wird es künftig auch ein Kinder- und Jugendprogramm an der Fasanenstraße geben.
Sonja Longolius und Janina Gelinek
Foto: Nina Zimmermann
"Berlin als Schaffensort" heißt eine der neuen Programmreihen, dabei ist vor allem an Autoren nichtdeutscher Herkunft gedacht. Hyperlokal und international, das ist kein Gegensatz in Berlin, sondern ein Kapital. Die beiden Leiterinnen wollen das Haus in zentraler, verkehrsgünstiger Lage für das öffnen, was  nahe liegt: "Wir möchten gerne gute Gastgeber sein." Mit einem Frühlingsfest am 20. und 21. März startet das neue Programm, das hoffentlich viele neue Gäste in die Fasanenstraße lockt.
Noch bis 11. März ist im Literaturhaus die Ausstellung "Zwischen den Fronten. Der Glasperlenspieler Hermann Hesse" zu sehen. Weitere Infos unter www.literaturhaus-berlin.de

Samstag, 23. Dezember 2017

Benjamin und Brecht - Denken in Extremen

Noch bis 28. Januar 2018 zeigt die Akademie der Künste ihre große Ausstellung Benjamin und Brecht - Denken in Extremen, die aus dem Vollen schöpfen kann, immerhin gehören die umfangreichen Werkarchive des Kritikers und des Dichters zu ihrem Bestand. Zwischen beiden Intellektuellen hat es nicht gleich gefunkt. Als eine gemeinsame Freundin, die Kommunistin Asja Lacis, sie 1924 in Berlin zusammenbrachte, kam kein konstruktiver Dialog in Gang. Das änderte sich etwa 1929, vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und des Aufstiegs der Nationalsozialisten: Brecht und Benjamin reagierten darauf mit einer verstärkten Orientierung an der marxistischen Gesellschaftstheorie. Sie teilten die Hoffnung auf die Arbeiterklasse als historischer Macht, stark genug, die Herrschaft des Bürgertums zu beenden und dem Faschismus paroli zu bieten. Es gab Pläne für eine Lesegemeinschaft gegen Heidegger und eine Zeitschrift mit dem Namen Krisis und Kritik; sie sollte eingreifendes Denken lehren. Brecht und Benjamin flohen vor den Nazis und setzten ihr Gespräch fort, brieflich und während Benjamins drei Aufenthalten in Brechts dänischem Exil. Fotos zeigen sie im Garten des Brechtschen Häuschens in Svendborg beim Schachspiel: Brecht war der aggressivere Spieler, Benjamin der bedächtig-defensive. Meistens gewann Brecht. Dass beide den Temperamentsunterschied und den Widerspruch des Gegenübers suchten, spricht für ihre Größe. Die Ausstellung arbeitet mit sorgfältig ausgesuchten Dokumenten und einer exzellenten Betextung (für die Typografie zeichnet Friedrich Forssmann verantwortlich) die Gegensätze heraus: Brecht konnte mit Benjamins Aura-Theorie sowenig anfangen wie mit dessen Begeisterung für Baudelaire. Brecht warnte Benjamin, sich zu sehr in Abhängigkeit vom Institut für Sozialforschung Adornos und Horkheimers zu begeben, jene sahen den Einfluss Brechts auf Benjamin als verhängnisvoll an. Beide teilten die Faszination durch Kafkas Schriften, kamen aber zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen seiner Bedeutung. Beide sahen sich durch den Rundfunk und die technische Reproduzierbarkeit von Kunst herausgefordert, waren auf der Suche nach einer neuen, zeitgemäßen Kunst und den richtigen Begriffen dafür. Gemeinsam arbeiteten sie am Plot für einen Kriminalroman. Als Brecht 1941 vom Tod des schwierigen Freundes erfuhr, der sich bei der Flucht über die Pyrenäen das Leben genommen hatte, was der Dichter erschüttert; mehrere Gedichte zeugen davon. "Neuer Gedanken Heraufkunft und neuer Schwierigkeiten", das allein hätte ihn doch im Leben halten müssen, ruft Brecht dem verlorenen Gesprächspartner nach. Um die Zeugnisse ihres Dialogs legt sich in der Ausstellung der Akademie ein Kranz von Arbeiten jüngerer Künstler - so hat Stefan Thiemann den Kriminalroman der beiden Meisterdenker als Graphic Novel in Holz geschnitten und Alexander Kluge eine Videocollage beigesteuert; für ihn sind Benjamin und Brecht "Steuerungsengel im Dickicht des 21. Jahrhundert" geblieben. Infos zur Ausstellung
Die Fernsehserie Berlin Babylon hat das Interesse am Berlin der Weimarer Republik neu befeuert, mit der Kleinen Zeitung hat Michael Bienert darüber gesprochen, wie wenig golden Berlin damals wirklich war:

http://www.text-der-stadt.de/KlZ_Okt_2017.jpg