Thomas B. Schumann wirbt für sein Exilmuseum. Foto: Bienert |
Von Michael Bienert - In Berlin will ein erfolgreicher Kunsthändler sein
Lebenswerk krönen, indem er der Stadt ein Museum schenkt, das dauerhaft an die
von den Nazis vertriebenen Mitbürger und Künstler erinnert. Der Mann hat Geld
und ein Netzwerk, aber keine Sammlung, die auf den Museumszweck zugeschnitten wäre.
In der Nähe von Köln sitzt ein manischer Sammler in einem zweistöckigen Bungalow,
vollgestopft mit 50.000 Büchern, vor allem von Exilautoren, mit Dokumenten,
ganzen Nachlässen und 700 Bildwerken, die von exilierten Künstlern stammen.
Seit zehn Jahren sucht der Rheinländer einen Ort und Unterstützung für ein
Museum des Exils. Was läge also näher, als dass die beiden
unternehmungslustigen älteren Herren sich zusammentun, um ihren Traum gemeinsam
zu realisieren?
Doch es gibt niemanden, der die komplementären
Persönlichkeiten in eine Paartherapie zwingen könnte. Man rede nicht mehr miteinander,
sagt der Sammler, Publizist und Verleger Thomas B. Schumann auf Nachfrage:
„Aber Bernd Schultz wird sein Exilmuseum auch so bekommen.“ Geld und prominente
Mitstreiter habe er ja. Zudem ist seit Mitte März klar, dass Schultz über seine
Immobilie, das heutige Käthe-Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße, ab Ende 2019
frei verfügen kann. Die Senatskulturverwaltung stellt Räume am Spandauer Damm
zur Verfügung, gegenüber vom Schloss Charlottenburg und nah bei der Sammlung des
Emigranten Heinz Berggruen, damit Schultz das von ihm jahrelang geförderte
Kollwitz-Museum ohne Gesichtsverlust in ein kommodes Exil schicken kann.
Dass die Schultzsche Initiative den Sammler Schumann zutiefst
wurmt, ist verzeihlich. Schließlich sucht Schumann schon seit zehn Jahren ein
Haus und Unterstützung für das ersten Exilmuseum in Deutschland. Die Spuren der
Verjagten zu sichern ist seit Jahrzehnten seit Lebensinhalt, hunderte von ihnen
hat er persönlich besucht und darüber publiziert. Er wurde Verleger, als kein
großer Verlag eine „Andere Bibliothek“ der vertriebenen Autoren wagen wollte;
seit 1994 hat er in der „Edition Memoria“ rund 30 Titel herausgegeben. 2017 zeichnete
das PEN-Zentrum Deutschland Schumann für seine Unermüdlichkeit mit dem renommierten
Hermann-Kesten-Preis aus.
„Ich bin von Beruf Jäger und Sammler“, so stellte sich
Schumann am Dienstagabend im Literaturforum im Brecht-Haus anlässlich der
Präsentation eines Bildbandes über seine Kunstsammlung vor. Während die
Literatur des Exils inzwischen gut erforscht sei, gebe es viele Bildende Künstler,
die völlig vergessen seien oder über deren Exilschicksal man nur wenig wisse.
Leider habe er zu spät angefangen, sich um dieses Thema zu kümmern. Im Jahr
2000 erwarb Schumann ein düsteres Blumenstilleben von Hein Heckroth: „Das war
der Dammbruch.“
Hein Heckroth gehört zu den vergessenen Malern, er hatte vor
allem als Bühnen- und Filmausstatter Erfolg: 1949 bekam er sogar einen Oscar!
Schon dieser Umstand illustriert, dass die Geschichten, die Schumann rund um
die Bilder seiner Sammlung erzählen kann, oft aufregender sind als die Bilder
selbst. Viele Werke sind schon vor oder nach der Exilzeit entstanden, nur ganz wenige
nehmen direkt Bezug auf die Erfahrung als Flüchtling. Da sind zahlreich Landschaften,
Stilleben, Porträts im weiten Stilspektrum der Spätmoderne vertreten, oft weiß
man nicht: Haben die Künstler das aus eigenem Antrieb gemalt oder weil diese
Motive im Ausland verkäuflich waren? Ludwig Meidners spätimpressionistisches
„Stilleben mit Hering und Gemüse“ von 1936 zum Beispiel: Würde das in einem
Museum des Exils nicht einen völlig falschen Eindruck vermitteln? Doch man
sieht so ein Bild mit anderen Augen, wenn Schumann erzählt, dass Meidner im
Londoner Exil als Leichenwäscher arbeiten musste, um zu überleben.
Primär als Bildergalerie kann ein Exilmuseum also überhaupt
nicht funktionieren, sondern nur als Haus, das Geschichten rund um die
ausgestellten Objekte herum erzählt. Es müsste vor allem ein Ort der
Kommunikation sein, in dem die historischen Erfahrungen der deutschen Exilanten
mit der aktuellen Flüchtlingsthematik in eine sinnvolle Beziehung gebracht
werden. So wie das die Akademie der Künste im vergangenen Jahr mit ihrer
Ausstellung „Künstler im Exil“ probiert hat. Alleine das Archiv der Akademie besitzt
300 Nachlässe und Sammlungen von exilierten Künstlerinnen und Künstlern. Kürzlich
hat das Stadtmuseum den privaten Nachlass des Theaterregisseurs Max Reinhardt
erworben; die Staatlichen Museen haben bekanntlich keinen Platz, wertvolle
Werke namhafter Emigranten auszustellen. Das Gezänk um ein privates Exilmuseum mit
beschränkter Haftung lenkt ab: Davon, dass in der Berliner Kulturpolitik eine
Idee fehlt, was man mit dem reichlich vorhandenen Erbe des Exils überhaupt
anfangen will.
Thomas B. Schumann stellt seine Sammlung und sein Buch
„Deutsche Künstler im Exil“ (Edition Memoria, 2016, 35 Euro) am 22. März 2018
um 19 Uhr in der Salongalerie „Die Möwe“, Auguststraße 50B, vor.
Der Artikel ist auch im gedruckten TAGESSPIEGEL vom 22. März 2018 erschienen.
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