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Donnerstag, 22. März 2018

Exil ist keine Kunst - Privatinitiativen für ein Exilmuseum und die Ideenlosigkeit der Kulturpolitik

Thomas B. Schumann wirbt für sein
Exilmuseum. Foto: Bienert
Von Michael Bienert - In Berlin will ein erfolgreicher Kunsthändler sein Lebenswerk krönen, indem er der Stadt ein Museum schenkt, das dauerhaft an die von den Nazis vertriebenen Mitbürger und Künstler erinnert. Der Mann hat Geld und ein Netzwerk, aber keine Sammlung, die auf den Museumszweck zugeschnitten wäre. In der Nähe von Köln sitzt ein manischer Sammler in einem zweistöckigen Bungalow, vollgestopft mit 50.000 Büchern, vor allem von Exilautoren, mit Dokumenten, ganzen Nachlässen und 700 Bildwerken, die von exilierten Künstlern stammen. Seit zehn Jahren sucht der Rheinländer einen Ort und Unterstützung für ein Museum des Exils. Was läge also näher, als dass die beiden unternehmungslustigen älteren Herren sich zusammentun, um ihren Traum gemeinsam zu realisieren?

Doch es gibt niemanden, der die komplementären Persönlichkeiten in eine Paartherapie zwingen könnte. Man rede nicht mehr miteinander, sagt der Sammler, Publizist und Verleger Thomas B. Schumann auf Nachfrage: „Aber Bernd Schultz wird sein Exilmuseum auch so bekommen.“ Geld und prominente Mitstreiter habe er ja. Zudem ist seit Mitte März klar, dass Schultz über seine Immobilie, das heutige Käthe-Kollwitz-Museum in der Fasanenstraße, ab Ende 2019 frei verfügen kann. Die Senatskulturverwaltung stellt Räume am Spandauer Damm zur Verfügung, gegenüber vom Schloss Charlottenburg und nah bei der Sammlung des Emigranten Heinz Berggruen, damit Schultz das von ihm jahrelang geförderte Kollwitz-Museum ohne Gesichtsverlust in ein kommodes Exil schicken kann.
Dass die Schultzsche Initiative den Sammler Schumann zutiefst wurmt, ist verzeihlich. Schließlich sucht Schumann schon seit zehn Jahren ein Haus und Unterstützung für das ersten Exilmuseum in Deutschland. Die Spuren der Verjagten zu sichern ist seit Jahrzehnten seit Lebensinhalt, hunderte von ihnen hat er persönlich besucht und darüber publiziert. Er wurde Verleger, als kein großer Verlag eine „Andere Bibliothek“ der vertriebenen Autoren wagen wollte; seit 1994 hat er in der „Edition Memoria“ rund 30 Titel herausgegeben. 2017 zeichnete das PEN-Zentrum Deutschland Schumann für seine Unermüdlichkeit mit dem renommierten Hermann-Kesten-Preis aus.

„Ich bin von Beruf Jäger und Sammler“, so stellte sich Schumann am Dienstagabend im Literaturforum im Brecht-Haus anlässlich der Präsentation eines Bildbandes über seine Kunstsammlung vor. Während die Literatur des Exils inzwischen gut erforscht sei, gebe es viele Bildende Künstler, die völlig vergessen seien oder über deren Exilschicksal man nur wenig wisse. Leider habe er zu spät angefangen, sich um dieses Thema zu kümmern. Im Jahr 2000 erwarb Schumann ein düsteres Blumenstilleben von Hein Heckroth: „Das war der Dammbruch.“
Hein Heckroth gehört zu den vergessenen Malern, er hatte vor allem als Bühnen- und Filmausstatter Erfolg: 1949 bekam er sogar einen Oscar! Schon dieser Umstand illustriert, dass die Geschichten, die Schumann rund um die Bilder seiner Sammlung erzählen kann, oft aufregender sind als die Bilder selbst. Viele Werke sind schon vor oder nach der Exilzeit entstanden, nur ganz wenige nehmen direkt Bezug auf die Erfahrung als Flüchtling. Da sind zahlreich Landschaften, Stilleben, Porträts im weiten Stilspektrum der Spätmoderne vertreten, oft weiß man nicht: Haben die Künstler das aus eigenem Antrieb gemalt oder weil diese Motive im Ausland verkäuflich waren? Ludwig Meidners spätimpressionistisches „Stilleben mit Hering und Gemüse“ von 1936 zum Beispiel: Würde das in einem Museum des Exils nicht einen völlig falschen Eindruck vermitteln? Doch man sieht so ein Bild mit anderen Augen, wenn Schumann erzählt, dass Meidner im Londoner Exil als Leichenwäscher arbeiten musste, um zu überleben.

Primär als Bildergalerie kann ein Exilmuseum also überhaupt nicht funktionieren, sondern nur als Haus, das Geschichten rund um die ausgestellten Objekte herum erzählt. Es müsste vor allem ein Ort der Kommunikation sein, in dem die historischen Erfahrungen der deutschen Exilanten mit der aktuellen Flüchtlingsthematik in eine sinnvolle Beziehung gebracht werden. So wie das die Akademie der Künste im vergangenen Jahr mit ihrer Ausstellung „Künstler im Exil“ probiert hat. Alleine das Archiv der Akademie besitzt 300 Nachlässe und Sammlungen von exilierten Künstlerinnen und Künstlern. Kürzlich hat das Stadtmuseum den privaten Nachlass des Theaterregisseurs Max Reinhardt erworben; die Staatlichen Museen haben bekanntlich keinen Platz, wertvolle Werke namhafter Emigranten auszustellen. Das Gezänk um ein privates Exilmuseum mit beschränkter Haftung lenkt ab: Davon, dass in der Berliner Kulturpolitik eine Idee fehlt, was man mit dem reichlich vorhandenen Erbe des Exils überhaupt anfangen will.

Thomas B. Schumann stellt seine Sammlung und sein Buch „Deutsche Künstler im Exil“ (Edition Memoria, 2016, 35 Euro) am 22. März 2018 um 19 Uhr in der Salongalerie „Die Möwe“, Auguststraße 50B, vor.



Der Artikel ist auch im gedruckten TAGESSPIEGEL vom 22. März 2018 erschienen.

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