|
Germania in Stuttgart: An der Neckartalstraße stehen 14 Travertinsäulen, die für den geplanten Mussoliniplatz in Berlin gefertigt wurden. Foto: Wikimedia |
"Ich halte `Germania` nicht für ein zentrales Projekt des Nationalsozialismus", sagt der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz in einem der Interviews, das Studenten der TU Berlin für den Band Mythos
Germania - Vision und Verbrechen geführt haben. Das umfangreiche, einladend gestaltete Begleitbuch zu einer neuen
Ausstellung des Vereins Berliner Unterwelten will vor allem eines: die Planungen des NS-Generalbauinspektors Albert Speer für die Reichshauptstadt entmystifizieren. Eine Faszination des Bösen angesichts der gigantomanischen Stadtentwürfe im Auftrag Hitlers soll gar nicht erst aufkommen. Stattdessen liefert der Band präzise Informationen über das Planungsgeschehen, über Judendeportationen und Zwangsarbeit in Zusammenhang mit dem avisierten Umbau Berlins. Albert Speers Selbstmystifikation als genialer und politisch naiver Künstlerarchitekt im Dienst eines wahnsinnigen Diktators und die ideologische Funktion von Architektur im Nationalsozialismus werden kritisch unter die Lupe genommen. Die Denkmalpflegerin Gabi Dolff-Bonekämper plädiert für einen differenzierten Umgang mit diesem Erbe: "Ich glaube nicht, dass Albert Speers Straßenlaternen an der Straße des 17. Juni als Gefahr für die Demokratie zu werten sind." Solche Statements machen Lust, genau hinzuschauen und sich tatsächlich ganz konkret mit den NS-Planungen und ihren Auswirkungen über das Jahr 1945 hinaus zu beschäftigen.
Dagmar Thorau / Gernot Schaulinski (Hg.)
Germania - Vision und Verbrechen
Edition Berliner Unterwelten 2014
Broschiert, 200 Seiten, 14,90 Euro
Bestellen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen