"Wie ich einmal auf dem Lande Langeweil und Muße genug hatte, fing ich anzu schreiben", berichtet Adelbert von Chamisso 1829 in einem Brief über die Entstehung von Peter Schlemihls wundersamer Geschichte im brandenburgischen Kunersdorf, wohin Freunde den Botaniker und Dichter vor der antifranzösischen Stimmung im Berlin der Freiheitskriege gegen Napoleon in Sicherheit gebracht hatten. Chamisso nährte die Legende, die Erzählung sei quasi absichtslos entstanden, weil dies seiner späteren Poetik entsprach. Doch es gibt Quellen im Nachlass, die ein anderes Licht auf den Entstehungsprozess werfen: "Das Blitz Prosa schreiben wird mir ungeheuer Sauer - mein Brouillon sieht toller aus als alle Verse, die ich je gemacht - hat es sich denn zu ruhiger vernünftiger Prosa gesetzt?" So Chamisso im September 1813 aus Kunersdorf an den Freund Hitzig in Berlin. Im Dialog mit dem Freund arbeitete Chamisso zielstrebig daran, sich zum Prosaerzähler weiterzuentwickeln. Der Blick in den Nachlass erlaubt es, Chamisso Selbstauskunft über die Entstehung seiner berühmtesten Erzählung einer kritischen Revision zu unterziehen. Insofern war es eine gute Entscheidung, das vor Jahren erschienene Frankfurter Buntbuch über Chamisso in Kunersdorf von einer Bearbeiterin des Chamisso-Nachlasses in der Berliner Staatsbibliothek noch einmal neu schreiben zu lassen. Die Autorin Monika Sproll ist dort mit der wissenschaftlichen Erschließung und Digitalisierung des Nachlasses beschäftigt. Im Chamisso-Literaturhaus berichtete sie heute bei der Buchvorstellung, wie sehr Chamisso über die Entstehung des Schlemihl hinaus mit Kunersdorf verbunden war. Während seines Aufenthaltes auf dem Mustergut der Familie Itzenplitz im Jahr 1813 arbeitete er an einem Verzeichnis der dort kultivierten Gewächse. Auch nach seiner Weltreise (1815-18) hielt der Botaniker Chamisso den Kontakt nach Kunersdorf. Als er 1821 den Auftrag erhielt, 30 Herbarien für Schulen anzulegen, sandte Chamisso Listen von Pflanzen, die dann für ihn in Kunersdorf angebaut und nach Berlin verschickt wurden.
Monika Sproll
Adelbert von Chamisso in Cunersdorf
Frankfurter Buntbücher 55
Kleist-Museum-Frankfurt/Oder 2014
Vertrieb durch den Verlag für Berlin-Brandenburg
32 Seiten, zahlreiche Abbildungen
8 Euro
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