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Samstag, 19. Oktober 2013

Weltkulturerbe und Matschepampe. Grundsteinlegung der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel

Der Bauplatz am Kupfergraben, rechts das
Pergamonmuseum
Dass die alte Mitte der Hauptstadt in einem eiszeitlichen Urstromtal liegt, lernen Berliner Kinder schon in der Grundschule. Also müsste jeder, der dort baut, wissen, wie tückisch der Untergrund ist. Das Stadtschloss, die Festungswerke und die Prachtbauten an der Straße Unter den Linden wurden mit Zehntausenden von Eichen- und Kiefernpfählen im sumpfigen Sandboden verankert. Doch Kenntnis historischer Stadtpläne scheint unter den Fachleuten, die bei Bauprojekten in der Stadtmitte mitzureden haben, kaum vorhanden zu sein.
So kommt es immer wieder zu Bauverzögerungen und Kostenexplosionen, die angeblich niemand vorhersehen konnte. Jüngstes Beispiel ist die 2010 begonnenen Sanierung der Staatsoper, die eigentlich im kommenden Frühjahr wiedereröffnet werden sollte. Alte Kieferpfähle im Untergrund sind angeblich dafür verantwortlich dafür, dass die Senatsbauverwaltung sich mittlerweile hütet, einen Fertigstellungstermin zu nennen. Und vor dem Neuen Museum waren seit drei Jahren Taucher und Spezialmaschinen damit beschäftigt, festen Grund für das geplante zentrale Empfangsgebäude der Museumsinsel zu finden. Überraschend lud nun die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Grundsteinlegung ein, obwohl der größte Teil des Bauplatzes nach wie vor unter Wasser steht.
Zeitkapsel mit dem Inhalt des Grundsteins:
Baupläne, Münzen, die Zeitung vom Tage,
ein Brief und ein Bild von James Simon
Die erste Firma, die den Auftrag erhielt, schaffte es nicht, stabile Bohrpfähle in das eiszeitlichen Matschepampe vor dem Neuen Museum zu rammen. Der Pfusch musste erst beseitigt, das Vorhaben neu ausgeschrieben werden. Von 71 Millionen Euro sind die Baukosten schon auf 98,8 Millionen Euro gestiegen. Die zuerst beauftragte Firma hat sich zahlungsunfähig gemeldet, die Mehrkosten trägt der Steuerzahler, denn die Bauvorhaben der Preußenstiftung auf der Museumsinsel finanziert der Bund. Die Stiftung will allerdings keinen zusätzlichen Geldbedarf anmelden, sondern das Problem durch Umschichtungen in ihrem Etat lösen.
Mit dem Architekten David Chipperfield, der den neuen Eingangsbereich gestaltet, hat sie gute Erfahrungen gemacht: Sein Wiederaufbau des benachbarten Neuen Museums kostete am Ende sogar 40 Millionen Euro weniger als veranschlagt. Chipperfields Gebäude soll jährlich drei Millionen Besucher der Museumsinsel elegant auffangen und genügend Platz für Kassen, Garderoben, Museumshop, Museumscafé, ein Auditorium und sonstige Funktionsräume bieten. Hoch über der Spree wird eine lange Kolonnade zum Flanieren einladen, ähnlich wie bei Chipperfields Literaturmuseum der Moderne in Marbach. Zugleich verlängert der Entwurf die bestehenden Kolonnaden um die Alte Nationalgalerie auf der Museumsinsel, so dass diese zukünftig fast zu Hälfte von überdachten Promenierzonen eingefasst sein wird.
Der Deckstein des Grundsteins
Der neue Empfangsbereich wird James-Simon-Galerie heißen, in Erinnerung an den wichtigsten Mäzen der Berliner Museen. Sie verdanken ihm rund 10.000 Sammlungsstücke, darunter Highlights wie die Nofretete-Büste und das Ischtar-Tor. James Simon starb 1932, sechs Jahre später wurden alle Hinweise auf seine Stiftungen aus dem Museum entfernt, da er aus einer jüdischen Familie stammte. Zur Grundsteinlegung reisten mehrere Nachkommen nach Berlin, die heute in den USA leben. Die moderne architektonischen Visitenkarte der James-Simon-Galerie rückt künftig auch die Rolle des jüdischen Bürgertums beim Aufstieg der Museumsinsel zum Weltkulturerbe stärker in den Blick.

Erstdruck: STUTTGARTER ZEITUNG vom 19. Oktober 2013

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