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Donnerstag, 8. Dezember 2011

Archäologie und Politik

Eine Nierentischgruppe mit deutschen Gazetten aus den Fünfzigern, von deren Titelblatt das persische Herrscherpaar lächelt, war im Berliner Pergamonmuseum wohl noch nie ausgestellt. „Nach dem Krieg hielten die Deutschen Iran für ein Märchenland“, sagt die deutsch-iranische Kuratorin Patricia Rahemipour schalkhaft, „das wollten wir zeigen.“ Erich Böhringer, seinerzeit Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts und gut Freund mit Kanzler Adenauer, nutzte die Gunst der Stunde: 1961 durfte sein Institut eine Außenstelle in Teheran eröffnen und mit Ausgrabungen eines sassanidische Heiligtums im Nordwestiran beginnen. „Archäologie ist immer politisch“, meint Rahemipour, die zusammen mit der heutigen Leiterin der Außenstelle in Teheran Barbara Helwing die Geschichte deutscher Altertumsforschung im Iran aufgearbeitet hat. Die Tradition reicht indes viel weiter als fünfzig Jahre zurück, bis in die Frühzeit des deutschen Kaiserreiches.
Damals scheiterten erste Überlegungen, die präislamische Residenz Persepeolis auszugraben, am Widerstand Bismarcks, dem sein gutes Verhältnis zum Osmanischen Reich wichtiger war. In der Weimarer Republik forderte der Persepolis-Erforscher Ernst Herzfeld die deutsche Regierung auf, eine Außenstelle des Archäologischen Instituts in Teheran einzurichten, doch dafür fehlte das Geld. Herzfeld entwarf auch ein Antikengesetz für den persischen Staat, das vorsah, alle Grabungsfunde im Lande zu belassen. Wegen seiner jüdischen Herkunft musste Herzfeld 1935 aus Deutschland emigrieren, konnte jedoch mit amerikanischer Unterstützung in Persepolis endlich Grabungen durchführen. Die Ausstellung im Museum für Islamische Kunst zeigt Herzfelds Skizzen, Notizen und Fotos in einem Stapel cyanblauer Reisekoffer, daneben ein Modell von Persepolis seines Kollegen Friedrich Krefter. Ein fünfmal so großes Modell schenkte die Bundesrepublik dem letzten Schah 1967 zu seinen pompösen Krönungs­feierlich­keiten. Die iranische Revolution stoppte 1979 alle Grabungs- und Forschungsprojekte. Ein vom Reformpräsidenten Chatami geforderter „Dialog der Zivilisationen“ machte es möglich, dass im Jahr 2000 das Deutsche Archäologische Institut die Außenstelle in Teheran wiedereröffnen konnte. Die jetzige Leiterin Barbara Helwing versteht ihre Arbeit im Sinne des Ideengebers Ernst Herzfeld als Unterstützung der örtlichen Denkmalpflege. Die hat alle Hände voll zu tun: Der durch das explosive Bevölkerungswachstum in der Islamischen Republik ausgelöste Bauboom droht die Schätze der Vorzeit zu überrollen. 
Politisch ist die Archäologie im heutigen Iran schon deshalb, weil sie für das Selbstbild als stolze Nation durchaus eine Rolle spielt, ähnlich wie das umstrittene Atomprogramm. Die neue diplomatische Eiszeit zwischen dem Iran und der Europäischen Union sollte aber nicht dazu führen, dass die wissenschaftliche Zusammenarbeit eingefroren wird. „Wir führen den Dialog mit dem Iran auf einer ganz anderen Ebene““, betont Barbara Helwing, die in Teheran auch Vorlesungen hält. Diplomatische Krisen träten zyklisch auf, umso wichtiger sei Stetigkeit im Kulturdialog. Zwar sei die Zusammenarbeit mit der iranischen Antikenbehörde in den letzten drei Jahren schwieriger geworden, doch das ändere nichts an der Notwendigkeit: „Man muss den Iran kennen.“

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