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Montag, 25. Oktober 2010

Das letzte Tabu

Ein verliebter Bankangestellter unterschlägt eine hübsche Summe Geldes und versucht in der Großstadt ein neues Leben anzufangen. Diese Geschichte wollte Volker Lösch vor Weihnachten an der Berliner Schaubühne mit einem Laiensprechchor aus Finanzsachverständigen inszenieren. Letzte Woche musste er die Premiere von Georg Kaisers Stück „Von morgens bis mitternachts" jedoch absagen. „Es haben sich leider nicht genügend Leute gefunden, die über das Leben im Bankgeschäft berichten können, dürfen und wollen", erklärte der Regisseur. Aus Scham? Aus Desinteresse am Theater? Oder aus Angst, nie wieder einen Job zu finden, wenn sie öffentlich ausplaudern, was sie erlebt haben? Andere Branchen geben sich nicht so zugeknöpft. Deshalb wird Lösch nun ersatzweise „Lulu" von Wedekind auf die Bühne bringen: Einen Chor vom Sexarbeiterinnen zu rekrutieren, die offen über ihren Berufsalltag reden, ist hierzulande einfacher, als Banker öffentlich zum Sprechen zu bringen. - Weitere Kulturrepublik-Kolumnen finden Sie hier.

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