Der Dönhoffplatz 1937 Foto von Harry Croner |
Diese Information stammt von der Website des Vereins für die Geschichte Berlins. Sie wirft ein Licht auf ein Foto, das in einem neuen Bildband des Verlags M, des Hausverlages des Stadtmuseums, abgedruckt ist. Zu sehen ist dort eine Parkanlage auf dem Dönhoffplatz, in der Mitte steht ein Glockenturm mit weithin sichtbaren Uhrenziffernblättern, erst bei sehr genauem Hinsehen erkennt man das Hakenkreuz am Sockel. Die Bildlegende im Fotobuch lautet: "In der Weimarer Republik wurde der Platz zunehmend als Erholungsraum an einer der beliebtesten Einkaufsmeilen Berlin, der Leipziger Straße, wahrgenommen. Seit 1935 befand sich in der Mitte des Platzes ein Glockenturm mit Lebensuhr. Alle fünf Minuten ertönte ein Kinderlied zum Zeichen der Geburt eines Menschen in Deutschland, alle sieben Minuten spielten die Glocken einen Choral für einen Sterbenden."
Wer Wilhelm Lach war, erfahre ich nicht aus dem Buch. Dass dieser Glockenturm etwas mit der Naziideologie zu tun haben könnte, dass hier ein öffentlicher Platz zu einem Propagandainstrument für die Geburtensteigerung des deutschen Volkes gemacht wurde, muss ich mir zusammenreimen.
Historische Fotografien zusammenzustellen und zu kommentieren, ist eben auch eine Kunst. Bei dem Band Berlin 1937/1947 mit Fotos von Harry Croner besteht der Kunstgriff der Herausgeberinnen Angelika Ret, Bärbel Reißmann und Bettina Machner darin, Fotos von der scheinbar heilen Welt im Berlin der nationalsozialistischen Vorkriegszeit mit Fotos der kaputten Stadt nach dem Bombenkrieg zu kombinieren. Auf den ersten Blick wirkt es politisch korrekt und eindrucksvoll, auf den zweiten Blick melden sich Zweifel: Reicht es, die Bilder von 1937 als Beleg dafür heranzuziehen, dass die Nationalsozialisten damals fest im Sattel saßen und ein großer Teil der Bevölkerung glaubte, Hitlers Deutschland-zuerst-Politik habe alle Probleme gelöst? Aussagekräftiger wäre es vielleicht gewesen, die Bilder mit Aufnahmen von 1927 zu kontrastieren, um zu begreifen, wie das Stadtbild von den Nazis brutal aufgeräumt und mit einem NS-Bildprogramm überzogen wurde.
Der junge Fotograf Harry Croner hatte - jedenfalls suggeriert das die Auswahl - noch nicht die Kraft, sich mit der Kamera gegen die Stadtbildpolitik der Nazis zu wehren. Die im Buch veröffentlichten Fotos zeigen eine scheinbar intakte Metropole. Die Bildkommentare lassen daran auch wenig Zweifel aufkommen, während das Vorwort des Historikers Götz Aly immerhin das sich im Hintergrund zusammenballende Unheil reflektiert. Von weit höherem dokumentarischem Wert als seine Bilder von 1937 sind Croners Fotoserien aus dem zerstörten Berlin. Nach dem Krieg war Croner ein fleißiger Pressefotograf, bis Ende der 1980er Jahre hat er viel Kulturprominenz, Theater und Kabarett abgelichtet, hat den Glamour West-Berlin in Schwarz-Weiß-Aufnahmen festgehalten, die Optimismus und gute Laune ausstrahlen: zu besichtigen in dem bereits 2014 erschienenen Fotoband Bühne West-Berlin. 1989, zwei Jahre vor Croners Tod, erwarb das Berlin Museum sein 1,3 Millionen Fotos und andere Dokumente umfassendes Archiv. Für ein stadthistorisches Museum mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Theatergeschichte ist es ein großes Glück, aus so einem Fundus schöpfen zu können. Ich frage mich beim Durchblättern der beiden Bildbände, ob es in einem Fotoarchiv dieser Größe nicht nicht doch mehr Bilder zu entdecken gäbe, die Berlin aus einer unüblicheren Perspektive zeigen.
Berlin 1937/1947
Fotografien von Harry Croner
Herausgegeben von: Angelika Ret, Bärbel Reißmann, Bettina Macher
Edition Stadtmuseum Berlin 2017,
152 Seiten, 132 Abbildungen, 19,90 €
Bühne West-Berlin
Fotografien von Harry Croner aus vier Jahrzehnten
Herausgegeben von Peter Schwirkmann, Bettina Machner, Bärbel Reißmann und Angelika Ret Edition Stadtmuseum Berlin 2014
288 Seiten, 282 Abbildungen, 29,90 €
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