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Montag, 6. Oktober 2014

Volker Wieprecht und der Südwesten Berlins

Von Michael Bienert - Vor eineinhalb Jahren saß Volker bei uns im Garten hinter dem Haus, weil er die Idee hatte, mich für sein neues Buch zu porträtieren. Wir kennen uns ziemlich lange, seit 1977, saßen in derselben Klasse an der Schiller-Oberschule in Charlottenburg und besuchten denselben Deutsch-Leistungkurs. Ich bewunderte Volker schon damals für seine rasche Auffassungsgabe, seine Schlagfertigkeit, seinen Sprachwitz, seine körperliche und geistige Beweglichkeit, seinen Erfolg bei Mädchen: Eigenschaften, mit denen er sich zu einem beliebten, prominenten und mit Preisen dekorierten Radiomoderator hocharbeitete. Bei den Lehrern machte er sich damit nicht nur beliebt, manche Mitschüler fürchteten sich vor ihm. In Volkers Buch Zwischen Kreisel und Kleistpark kann man nun nachlesen, wie ich (pflegeleichter Liebling der Lehrer!) in sein Leben trat und einen leider immer noch nicht restlos überwundenen Minderwertigkeitskomplex auslöste. Nach unserer Gartenkonferenz über sein Buchprojekt notierte er: "Es ist wie damals in dem roten Klinkerhaus in der Kreuznacher, in dem Michael mit seinen Eltern wohnte. Er macht die ernsten Themen, ich ziehe der Berolina ein Tutu an, weil mich das Reale schnell langweit und das Mögliche sehr schnell reizt."

Der Berolina ein Tutu anzuziehen, das muss man erstmal können. Und Volker macht das sehr gewitzt, gewohnt selbstironisch und spitzzüngig, aber keineswegs oberflächlich. Die Frage treibt ihn, warum wichtige Dinge in seinem Leben - die erste große Liebe, die Gründung der ersten Firma, der Selbstmord des besten Freundes - sich immer wieder in der nicht gerade hippen Gegend entlang der ehemaligen Reichsstraße 1 zwischen Steglitz und Schöneberg ereignet haben. Er schaut in die Geschichtsbücher, er nervt Behörden mit Presseanfragen zur Verkehrsführung auf der Hauptstraße und den Baufortschritten beim Steglitzer Kreisel, er befragt Denkmalschutzexperten, vor allem aber erzählt er sehr flott von seinen skurrilen Erlebnissen in längst geschlossenen Diskotheken, Meditationsräumen und dem Büroalltag in den Goerz-Höfen oder der ehemaligen Schöneberger Irrenanstalt. Viele kleine Episoden, die den Jungen aus Herne, der - wie ich - durch einen Umzug der Mutter nach Berlin umgetopft wurde, zu einem "offiziell anerkannten Kryptoberliner" und "Teil des hiesigen Inventars" machen, außerdem zum bekennenden Buddhisten.

Selbstverständlich bin ich nicht in der Lage, dieses Buch, zu dem ich wenig beigetragen habe und in dem ich übermäßig Platz einnehme, unvoreingenommen zu beurteilen. Was mich am meisten geärgert hat, dafür ist Volker nicht verantwortlich: Ich meine das pfiffig gedachte, aber lausig gemachte Design der Reihe "Berliner Orte", in der sein Buch erschienen ist. Autoren, die sich so viel Mühe geben, haben es verdient, dass ihr Text ein hübscheres Tutu bekommt.

Volker Wieprecht
Zwischen Kreisel und Kleistpark 
Berliner Orte
be.bra Verlag 2014, 144 S., 9,95 €

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