Hier gehts zur Kunst: Thomas Mann ganz in Rosa im Lübecker Buddenbrookhaus - Foto: Bienert |
Visuelle Eindrücke konnten einen kreativen Schub auslösen, so wie 1922 der Besuch einer Ausstellung, in der Thomas Mann den Bildzyklus „Joseph in Ägyptenland“ von Hermann Ebers – eines Jugendfreundes seiner Frau – sah. Das war die Initialzündung für das große Erzählprojekt „Joseph und seine Brüder“. Im Gegenzug erhielt der Künstler Hermann Ebers 1925 den Auftrag, die Novelle „Unordnung und frühes Leid“ zu illustrieren. Doch seine Lithografien wurden nicht gedruckt. In ihnen sei „das Element des Harmlosen und Bürgerlichen auf Kosten und zu ungunsten des Schlimmen und Unbürgerlichen in irreführender, stilistisch fehlerhafter Weise überbetont“, teilte der Autor dem befreundeten Künstler mit. Wohl auch auf Druck des Verlags, wo die rein illustrativen und etwas biedermeierlichen Familienszenen auf wenig Gegenliebe stießen. Sie sind in der Ausstellung zu sehen. Es war dann Aufgabe des geschmackssicheren Illustrators Karl Walser, die Umschläge für die Novelle und für die Josephsromane zu zeichnen.
Glücklicher verlief die Zusammenarbeit von Thomas Mann mit Könnern wie Emil
Preetorius, der scherenschnittartige Vignetten zu „Herr und Hund“ entwarf, und
Thomas Theodor Heine, der „Wälsungenblut“ illustrierte, als die
Inzestgeschichte mit 25-jähriger Verspätung endlich erscheinen durfte. Doch von
avantgardistischer Buchgestaltung waren diese Arbeiten weit entfernt. Umso überraschender,
dass Thomas Mann in den Zwanzigern als Fürsprecher für zwei beinahe experimentelle Buchprojekte auftrat.
1926 schrieb er ein Vorwort zu Frans Masereels „Stundenbuch“, einem 165
Holzschnitte umfassenden „Roman ohne Worte“ über das moderne Leben in einer
technisierten Großstadtwelt. Zwei Jahre später nobilitierte er in einer
Besprechung des Bildbandes „Die Welt ist schön“ von Albert Renger-Patzsch die
Fotografie als moderne Kunstform. In beiden Fällen fand Thomas Mann den Zugang
zur modernen Bildsprache der Künstler freilich über ein konservatives Ethos in
ihrem Werk. Bei Masereel hob er den ungeheuren Fleiß hervor, mit dem dieser Künstler
das „alte, edle, fromme deutsche Meisterhandwerk“ des Holzschnitts ausübte, und
bei Renger-Patzsch erkannte er eine „Beseelung“ der fotografischen Technik.
Thomas Mann baute dem Publikum eine Brücke zwischen einem konservativen Künstlerbegriff
und der Moderne: „Die Menschen fassen schwerlich Vertrauen zu einer Daseinsform,
die nur alt ist und nur neu und jung, nur historisch oder nur modern, nur
aristokratisch oder ausschließlich das krasse Gegenteil davon; deren Sinn nur
dem Vergangenen in würdiger Verstocktheit zugewandt ist und das Heutige als
gemein verschmäht oder, ganz frei und frech, nur das Heutige und das Zukünftige
weiß und will, überlieferungslos, gründlich unfromm ohne Wurzeln und Herkunft.
Es muss beides da sein, wenn sie vertrauen sollen: Vornehmheit und Freiheit,
Geschichte und Gegenwärtigkeit. Und eben diese Mischung ist es, die man in dem
Künstlertum Masereels aufs glücklichste verwirklicht findet.“ In diesen Sätzen
hat Thomas Mann zugleich seine eigene Position als Künstler in der modernen
Welt reflektiert.
Zur Beschäftigung mit Masereel und der neusachlichen
Fotografie angeregt wurde Thomas Mann durch den seit 1920 amtierenden Lübecker
Museumsdirektor Carl Georg Heise, der das klassizistische Behnhaus, eine
ehemaliges Bürgerhaus in der Lübecker Altstadt, zu einem Ausstellungsort für
zeitgenössische Kunst machte. Dort ist nun der größere Teil der Ausstellung über
Thomas Mann und die Kunst zu sehen, der kleinere im Buddenbrookhaus um die
Ecke. Die Gesamtschau setzt mit Zeichnungen und Radierungen des ersten Lübecker
Denkmalpflegers Carl Julius Milde aus der Mitte des 19. Jahrhunderts ein, der
damit seinen Mitbürgern die Augen für die mittelalterlichen Schönheiten ihrer
Stadt öffnete. Der Autor der „Buddenbrooks“ muss die Genrebilder in Mildes „Lübecker
ABC“ (erschienen 1857) ebenso gekannt haben wie das schöne Pastellporträt
seines Urgroßvaters Johann Siegmund Mann, das Vorbild für Johann Buddenbrook,
aus dem Jahr 1841.
Friedrich August von Kaulbachs "Kinderkarneval". Ganz links Thomas Manns spätere Ehefrau |
In den großbürgerlichen Wohnungen der Familie Mann
hingen selbstververständlich gerahmte Bildwerke an den Wänden, meist
Reproduktionen oder Kopien: Werke von Böcklin, Mareés, van Dyck und ein
abscheuliches Goethe-Porträt von Karl Bauer. Auf dem Schreibtisch des Autor
stand bis zum Lebensende ein Mitbringsel aus Italien, das scharfe Profil des Domikanermönchs
Savonarola, eine Kopie nach Frau Bartolommeo. In die nackten Jünglinge auf
Ludwig von Hofmanns Gemälde „Die Quelle“ verliebte sich der Dichter „bis über
beide Ohren“ und setzte alles daran, das Bild zu besitzen.1921 kaufte er von
dem Lübecker Bildhauer Hans Schwegerle eine Hermesfigur, die er so im Garten
aufstellte, dass er sie vom Arbeitszimmer sehen konnte.
Max Slevogt: Bürgermeister William Henry O´Swald |
Ausstellung bis 6. Januar 2015
Museum Behnhaus Drägerhaus, Königstraße 9-11, 23552 Lübeck, Di-So 10-18 Uhr
www.museum-behnhaus-draegerhaus.de
und Buddenbrookhaus, Mengstraße 4, 23552 Lübeck, Mo-So 10-18 Uhr
www.buddenbrookhaus.de
Katalog:
Alexander Bastek und Anna Marie Pfäfflin (Hg.): Thomas Mann und die bildende Kunst. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2014, 352 Seiten, 29,95 €
Alexander Bastek und Anna Marie Pfäfflin (Hg.): Thomas Mann und die bildende Kunst. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2014, 352 Seiten, 29,95 €
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen