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Freitag, 4. April 2014

Marsden Hartley in Berlin

Berlinerin vor dem
"Porträt eines deutschen Offiziers"
Noch ein Amerikaner in Berlin... Vor einer Woche kam Die Entdeckung Berlins von Henry F. Urban aus der Druckerei, eine Entdeckungsreise durch das Berlin der Kaiserzeit mit den Augen eines New Yorkers, heute Abend eröffnet die Nationalgalerie ihre Ausstellung Marsden Hartley. Die deutschen Bilder 1913-1915. Der amerikanische Maler Marsden Hartley reiste 1912 mit einem Stipendium nach Paris, verliebte sich dort in einen jungen deutschen Offizier und folgte ihm nach Berlin. Hier fand er Anschluss an die Avantgarde des "Sturm"-Kreises um Herwarth Walden und steuerte fünf Bilder zu dessen "Erstem Deutschem Herbstsalon" im Sommer 1913 bei. In der Ausstellung der Nationalgalerie lässt sich gut verfolgen, wie Hartley in der Auseinandersetzung mit dem Kubismus und der Berliner Avantgarde einen eigenen Stil entwickelt, gipfelnd in dem großen "Portrait of a German Officer"von 1914. Auf schwarzem Grund setzt er die Figur aus militärischen Symbolen in kräftigen Farben zusammen. Ein Militärhistoriker hat diese Zeichen dechiffriert, in einer Vitrine sind die Fähnchen, Litzen und Schulterklappen ausgestellt, die in Hartleys Bildkomposition auftauchen. Diese eigentümliche Hommage an das preußische Uniformwesen war zugleich Trauerarbeit: Hartleys geliebter Offizier Carl von Freiburg fiel bereits am 7. Oktober 1914 bei Arras. Noch im Oktober 1915 stellte der Maler seine Bilder im Liebermannhaus am Pariser Platz aus, wenig später kehrte er in die USA zurück, wie die meisten Angehörigen der amerikanischen Kolonie in Berlin. Die vier Ausstellungsräume sind auf dem Grundriss eines Eisernen Kreuzes in die Halle des Mies-van-der-Rohe-Baus hineingebaut, sie wirken wie eine kubistische Zelt-Installation, passend zu Hartleys Malerei. In einem Raum sind Filme von Paraden im Berlin der Kaiserzeit und Ausschnitte aus dem ersten Schwulenfilm "Anders als all die Anderen" von 1919 zu sehen. Der schöne Katalog führt entlang der Gemälde, Postkarten, Briefe und Fotos aus dem Nachlass Hartleys noch tiefer ins Berlin vor dem Ersten Weltkrieg hinein. Es war kosmopolitischer, als wir denken.

Bis 29. Juni 2014 in der Neuen Nationalgalerie. Infos zur Ausstellung

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