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Donnerstag, 16. Mai 2013

Im Theater (48): "Linie 8" im BKA

Die Immobilienhaie sind scharf auf Nordneukölln, das bekommen die Mieterinnen eines heruntergekommenen Hauses in der Nogatstraße aufs unangenehmste zu spüren: Die Hartz-IV-Empfängerin Edith Schröder (Ades Zabel) fliegt aus ihrer Wohnung, während ihre Freundinnen Jutta und Biggi sich von der Gentrifizierung ihres Kiezes bessere Geschäfte versprechen. Die eine (Bob Schneider) will ihre Eckkneipe in ein schickes Futschi-Lokal umbauen, stellt aber auf der Bank fest, dass die ihr ganzes Erspartes verzockt hat und landet auf einem Esoterik-Trip. Die andere (Biggy van Blond) will ihre Legginsboutique ganz groß auf Facekook und auf "Rollberg-TV" herausbringen, dafür lässt Biggi eigens ihre Brüste vergrößern. Edith haust auf der Straße und in der U-Bahn, bis ein schwuler U-Bahn-Fahrer (Nicolai Tegeler) ihr den Schlüssel zu einem still gelegten Abfertigungshäuschen auf dem U-Bahnhof Hermannplatz aushändigt. Sie gründet eine Protestpartei, unterstützt von der Türkin Hatice (Stefan Kuschner) organisiert sie eine Demo gegen die Zwangsumsiedlung der Neuköllner Urbevölkerung nach Spandau. Das Musical "Linie 8" ist mitten aus dem Leben gegriffen und lässt kein Klischee aus, die Türkinnen im Fitnessstudio werden ebenso lustig persifliert wie die Muttis mit schwäbischem Migrationshintergrund oder Bezirksbürgermeister Buschkowsky. Pralles Volkstheater, das nie in die Betroffenheits- oder Sozialromantikfalle tappt, weil all die schrägen Frauentypen von Männern gespielt, getanzt und gesungen werden, virtuos und mit Hingabe, mit viel Herz und großer Schnauze. Die Spielszenen wechseln mit Videoeinspielungen, die auf Neuköllner Straßen und in U-Bahn-Tunneln gedreht wurden, ein dickes Lob an die BVG, die das möglich gemacht (und von satirischen Seitenhieben nicht verschont bleibt). Der Regie von Bernd Mottl gelingen sehr elegante Übergänge zwischen Filmszenen und Liveperformance, das ganze Tempo stimmt, man wird zweieinhalb Stunden lang glänzend unterhalten. Der Abend von Ades Zabel & Co. im BKA ist eine wunderbare Einstimmung auf laue Sommernächte in Kreuzberg und Neukölln!

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