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Donnerstag, 26. September 2024

Aus für das Kleine Grosz-Museum

Von Elke Linda Buchholz - „Was sind das für Zeiten?“ heißt die aktuelle Sonderausstellung zu George Grosz, Bertolt Brecht und Erwin Piscator. Die drei Kollaborateure hoben mit ihren gemeinsamen Projekten das Theater der 1920er Jahre aus den Angeln, wobei sie auf mehr als avantgardistische Formexperimente zielten. Scharfe Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen war angesagt. Und heute? Keine rosigen Zeiten! Für das Kleine Grosz Museum jedenfalls sieht es schlecht aus. Die Kunstoase an der Bülowstraße wird, so beschloss der Trägerverein „George Grosz in Berlin e.V.“ auf einer außerplanmäßigen Mitgliederversammlung, schließen. Nämlich gleich nach Ende der laufenden Schau, im November. 

Was ist geschehen? Die Verantwortlichen geben sich schmallippig, für nähere Auskünfte steht vorerst niemand zur Verfügung. Eine Presseerklärung zitiert den Kurator und Co-Vorsitzenden des Vereins Pay Matthis Karstens: „Wir wollen auf dem Höhepunkt schließen.“ Das Projekt sei ohnehin nur auf Zeit angelegt gewesen. Die prekäre Finanzlage macht es den Engagierten aber offenbar schwer, das aus einer privaten Initiative gestartete Haus dauerhaft weiter zu betreiben. Zwar gibt es zahlreiche Förderer, darunter die Berliner Sparkasse, und auch der Hauptstadtkulturfond half teilweise, Sonderausstellungen zu ermöglichen. Aber nur auf der Basis der ehrenamtlichen Tätigkeit von Vereinsmitgliedern sei das Erreichte möglich gewesen: „Wunderbar, aber nicht nachhaltig“, so Schatzmeister Timon Meyer. Nun droht das ursprünglich auf 5 Jahre angelegte Kleine Grosz Museum sogar früher als geplant zu verschwinden.

Es verbirgt sich zwischen Hochbahn, Autotrassen und Geschäftshäusern an einer unwirtlichen Ecke Schönebergs hinter hohen Mauern. Wer eintritt, den überrascht eine stilvolle Tankstelle der 1950er Jahre - zum Kunstort gewandelt und mit einem asiatisch angehauchten Garten umkränzt. Der Galerist Juerg Judin hatte das Architekturkleinod entdeckt und anfangs ein Wohn- und Atelierhaus daraus gemacht. Später überließ es dem Grosz Museum gegen Miete. Tatsächlich suchte der 2015 gegründete Verein schon länger einen geeigneten Ort. Angetreten ist er für die dauerhafte Sichtbarmachung von George Grosz in und für seine Stadt. Treibende Kraft dabei ist der Sammler und kunsthistorische Autodidakt Ralph Jentsch. Er fungiert im Auftrag der Söhne und Erben des Künstlers als Nachlassverwalter des New Yorker George Grosz Estate. So bilden die im privaten Besitz der Familie verbliebenen Werke den Grundstock des Museums und seiner Ausstellungen. Zudem trug Jentsch ein Riesenarchiv zu Grosz und seinem künstlerischen Umfeld zusammen, mit Fotos, Skizzen, Einladungskarten, Katalogen. 

Seit seiner Eröffnung im Mai 2022 hat das Kleine Grosz Museum sich unverzichtbar gemacht. Mehr als 30.000 Besucher und Besucherinnen kommen jährlich, wie es heißt. Sogar im Museumscafé hängen Originalwerke. Ein kantiger, schmaler Neubau nimmt die Ausstellungen auf: unten läuft eine Dauerpräsentation zu dem 1893 in Berlin geborenen Georg Ehrenfried Gross, wie er eigentlich hieß. Im Obergeschoss wechseln die Themen. Mit anspruchsvollen, fachlich kompetenten und erfrischend inszenierten Ausstellungen machte sich das junge Haus einen Namen, begleitet von materialreichen Katalogen. Die Premierenschau beleuchtete erstmals überhaupt das Frühwerk von Grosz. Es folgten wenig erforschte Aspekte seines Schaffens, wie die Sowjetrussland-Reise, das vielschichtige Collagen-Werk oder die Auseinandersetzung mit Holocaust und Zweitem Weltkrieg. Als Grosz diese späten Blätter schuf, lebte der als entartet Vertriebene schon in seinem Traumland Amerika. Kurz vor seinem Tod kehrte er desillusioniert nach Berlin zurück. Das Kleine Grosz Museum hat seinem Werk, gerade auch den fragilen Arbeiten auf Papier, einen Ort gegeben. Und damit soll jetzt Schluss sein? Berlin braucht den scharfkantigen, freisinnigen Grosz. Und Grosz braucht Berlin, jetzt erst recht.

Montag, 2. September 2024

Neuerscheinung: Das Romanische Café im Berlin der 1920er-Jahre

Im Romanischen Café war die geistige Elite der Weimarer Republik zuhause. Journalisten, Schriftsteller, Maler, Verleger, Prominente aus der Theater- und Filmbranche trafen sich hier täglich an ihren Stammtischen. Max Liebermann, Alfred Döblin, Bertolt Brecht, Else Lasker-Schüler, Billy Wilder, George Grosz, Valeska Gert, Max Reinhardt, Alfred Flechtheim, Kurt Tucholsky, Friedrich Hollaender, Max Schmeling, Egon Erwin Kisch, Erich Kästner, Irmgard Keun, Jeanne Mammen oder Mascha Kaléko besuchten das Romanische Café. Es lockte auch internationale Gäste wie Ilja Ehrenburg, Elias Canetti, Luigi Piandello, Antonin Artaud und Samuel Beckett. Unter die Prominenten mischten sich Angestellte, Touristen, Schaulustige, Zeitungsleser und Schachspieler, die sogenannten Tauentzien-Girls waren hier auf Männerfang. Bis 1933 zählte das Romanische Café zu den größten Sehenswürdigkeiten des modernen Berlin. Danach erhielten viele seiner Gäste Berufsverbot, wurden politisch verfolgt, gingen ins Exil, suchten den Freitod oder wurden ermordet.

Das Romanische Café ist ein Mythos und zugleich eine Leerstelle in der Erinnerungskultur Berlins. Seit Januar 2024 schließt eine Ausstellung am Originalschauplatz, im Europa Center an der Gedächtniskirche, diese Lücke – und wird wegen der überwältigenden Publikumsresonanz um ein halbes Jahr bis Anfang 2025 verlängert. Das Ausstellungsteam hat viele neue Fakten, Dokumente, Geschichten und Bilder recherchiert, die sich nun erstmals im Buch wiederfinden. Unbekannte Feuilletons über das Romanische Café, eine Chronik und eine über 400 Namen umfassende Gästeliste ergänzen die opulente Präsentation des Lebens im flirrenden Neuen Berliner Westen der 1920er Jahre.

Link zur Ausstellung: romanisches-cafe.berlin

Link zur Verlagsseite: https://www.verlagberlinbrandenburg.de/Das-Romanische-Cafe-im-Berlin-der-1920er-Jahre/978-3-96982-098-8

DAS ROMANISCHE CAFÉ
IM BERLIN DER 1920ER JAHRE

von Katja Baumeister-Frenzel (Hg.), Christiane Barz, Michael Bienert, Carsten Knobloch, Arne Krasting, Roland Pohl, Jan Schneider
Verlag für Berlin Brandenburg
196 Seiten, gebunden, 192 Abbildungen
25,-- Euro
ISBN 978-3-96982-098-8