Translate

Donnerstag, 27. April 2017

Die Magie der kleinen Dinge in der Gemäldegalerie

Hans Verhagen der Stomme:
Ratten und Mäuse
Quelle: smb / Kupferstichkabinett / V. H. Schneider 
Von Elke Linda Buchholz - Der kleine Kabinettraum der Gemäldegalerie ist selbst eine Miniatur. Wer sich hierher verirrt, wird mit 26 feinsten niederländischen Naturstudien beglückt. Die Blütenlese bestechend präziser Zeichnungen und Drucke fungiert als Seitenstück zur großen Maria Sibylla Merian-Schau eine Etage höher und beleuchtet, querbeet, was den Beobachtungsgeist der Künstler weckte. Winzige Walderdbeeren, blaue Akelei und Vergissmeinnicht ließ um 1500 ein unbekannter Miniaturist als Randzier um die stille Studierstube des Heiligen Markus wachsen. Unten krabbelt eine Raupe vorbei.
Rund 100 Jahre später hat sich die Naturstudie bei Roelant Savery zur Hauptsache emanzipiert. Der Tierspezialist konterfeit eine Grüne Meerkatze haargenau ab. Nicht in deren heimatlicher Sahararegion, sondern im kaiserlichen Tierpark Rudolfs II. in Prag begegnete der Maler dem dunklen Blick des gefangenen Tieres. Auch die Kette vergaß Savery nicht zu notieren. Er brauchte solche Tierstudien als Basismaterial für seine begehrten, vor Tierarten strotzenden Paradiesdarstellungen, von denen auch die Gemäldegalerie eine besitzt.
Der Antwerpener Zeitgenosse Hans Verhagen der Stomme strichelte die Textur von Schildkrötenpanzern so exakt, dass sich die Spezies bis heute bestimmen lassen. Seine lebensgroßen Ratten und Mäuse sträuben niedlich ihr graues oder braunes Fell. Auch ein Albino ist darunter. Sonderbares und Fremdartiges faszinierte besonders. Bis ins Makabre überspitzte Meisterzeichner Jacques de Gheyn den Naturalismus. Eine tote Ratte zeigt er enthäutet und skelettiert. Weiterlesen auf tagesspiegel.de

Freitag, 7. April 2017

Tonnenleicht - Der Bildhauer Fritz Kühn

Durch die kupfergetriebenen Reliefportale von Fritz Kühn schreitet man in die Komische Oper. Im kriegsgeschundenen Innenraum der Parochialkirche hängt sein mächtiges Kreuz. Am Strausberger Platz setzt sein quasi schwebendes Brunnenrund aus geometrisch-abstrakten Kupferplatten einen modernistischen Kontrapunkt zur neoprächtigen Henselmann-Architektur. Wer die Stadtbibliothek betritt, kann sich buchstäblich im Vorbeigehen ein „A“ greifen: In 117 Varianten ziert das berühmte Buchstabenportal seit 1965 die Front. Nun ist im Kunsthaus Dahlem eine Ausstellung über den Künstler Fritz Kühn zu sehen, Elke Linda Buchholz hat sie für den Tagesspiegel besucht: http://www.tagesspiegel.de/kultur/fritz-kuehn-im-kunsthaus-dahlem-tonnenleicht/19608116.html

Montag, 3. April 2017

Im Theater (62): "Freischütz"-Premiere in Heidelberg

Die Wolfsschlucht ist eine leere Drehbühne, mehr nicht. Umso verstörender, was dort exekutiert wird: Kaspar und Max müssen einen Menschen ausweiden, damit Samiel die Zauberkugeln herausrückt, die immer ins Ziel treffen. Die Berliner Regisseurin Sandra Leupold geht volles Risiko, wenn sie die Wolfsschluchtszene mit fast nichts als halbnackten Körpern und Theaterblut spielen lässt, sie polarisiert damit das Heidelberger Publikum, hält aber fein die Balance zwischen demonstrativem Theaterspiel und blutigem Ernst. Die drei Akteure (Alexander Geller als Max, James Homann als Kaspar, AP Zahmer als Samiel) sind auf der rotierenden Scheibe physisch extrem gefordert, wissen dabei in jeder Sekunde, was sie tun, während die Höllenmusik Webers schroff aus dem Orchestergraben wetterleuchtet (am Pult: Dietger Holm).
Nichts ist in dieser Aufführung romantisch weichgespült und breitgemalt, die Musik eine Geisterbahnfahrt durch alptraumhafte Seelenzustände. Verquält schleppt sich Max von Szene zu Szene, mitleidlos gemobbt vom Jägerchor und den Jägerfrauen, rumgeschubst, angespuckt, verprügelt. Auch Agathe (Hye-Sung Na) wird ihrer Liebe zu Max auch nicht froh. Lyrische Momente  ("Oh lass Hoffnung dich beleben...") verlegt die Regie (durch Lichtwechsel) eindeutig in die Innenwelt der Figuren, die soziale Welt bietet dafür keinen Anhalt.
"Durch die Wälder, durch die Auen" geht es ohne Schmelz, der "Jungfernkranz" ist Teil eines albernen Junggesellinnenabschieds, für den die von Ännchen (Irina Simmes) angeführten Mädels sich mit Geweihchen schmücken. Man und frau trägt quietschbunte Turnschuhe zu Röcken, Kleidern, Uniformen und Jagdtracht (Kostüme: Jessica Rockstroh) aus der Restaurationsperiode um das Uraufführungsjahr 1821: Die Nationaloper spielt in deutscher Vergangenheit, steht aber im Hier und Heute. Eine "Alptraumlandschaft der deutschen Seele" (Sandra Leupold) führt sie vor, dumpf bedrückend und zugleich schwebend. Vom Schnürboden heben und senken sich ganz sachte Brautkleid, Gewehr, Spindel, Uhr, Tannenzapfen, Plastikgießkanne, Jägerhut, Geweih, Horn, Kerzenlicht und Dutzende weiterer Requisiten, füllen den tiefschwarzen Bühnenhimmel (Stefan Heinrichs), eine surreal anmutende Rauminstallation.
In der Volkssage "Der Freischütz", auf der die Oper basiert, gibt es kein Happyend: Die teuflische siebte Kugel trifft die Braut und der Bräutigam endet im Irrenhaus. Darauf steuert auch die Oper zu, doch ein heiliger Mann schreitet ein, der die Liebenden schützt und das Schlimmste verhindert. "Der rein ist von Herzen und schuldlos von Leben, darf kindlich der Milde des Vaters vertraun", lautet dann die Schlusssentenz der Oper. Die Regisseurin ist misstrauisch, sieht gerade in diesem milden Finale einen Ausgangspunkt der deutschen Misere, das Sich-Einrichten in einer langen Kette der Subordination. Biedermeierlich bleibt es bei den Rollenzuweisungen an die Geschlechter, die Frauen dürfen zuhause häkeln, während die feschen Jäger draußen im Wald herumballern. Webers Schluss können Regisseurin und Dirigent nicht umschreiben, ihre Skepsis ist nicht zu überhören.
Termine, Besetzung und Fotos auf der Website des Theaters Heidelberg

Universalkünstler: Friedrich Kiesler im Martin-Gropius-Bau

Seine Architekturentwürfe wurden, bis auf einen, nicht gebaut. Seine Designermöbel gingen nicht in Serie. Berühmt wurde er außerhalb von Insiderkreisen auch nicht. Aber Friedrich Kieslers wortstarke, mit Witz und Furor formulierten Manifeste wurden gelesen, seine Bücher gedruckt. Und seine Ideen wirken bis heute nach.
Eine Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, konzipiert von der Wiener Nachlassstiftung des Universalkünstlers und Utopisten, beleuchtet seine Ideen und Projekte. Sie will zeigen, wie aktuell Kiesler angesichts von Transdisziplinarität, Mobilität und dem Crossover zwischen Design und Wissenschaft ist. Mehr dazu von Elke Linda Buchholz auf www.tagesspiegel.de