Translate

Dienstag, 30. Oktober 2018

London 1938: Eine Ausstellung über von den Nazis verfemte Kunst in der Liebermann-Villa

Albert Einstein, gemalt von Max Lieberman
Von Elke Linda Buchholz - Albert Einstein hat es aus London nicht pünktlich zur Eröffnung geschafft. Das Porträt des Nobelpreisträgers, das Max Liebermann 1925 malte, trifft erst mit Verspätung in der Villa des Malers am Wannsee ein. Museumsdirektor Martin Fass seufzt: Es hakte an der britischen Ausfuhrgenehmigung. Ausstellungen organisieren ist eben immer ein Riesenaufwand, nicht nur in Brexit-Zeiten. Zollformalitäten, Versicherungen, Leihverträge, Papiere. Wie schwierig muss die Logistik erst einst im Vorkriegsjahr 1938 gewesen sein. Damals ging das Einstein-Bildnis den umgekehrten Weg. Liebermanns Witwe Martha schickte es aus Berlin als Leihgabe zur Londoner Ausstellung „Twentieth Century German Art“. Weiterlesen

Wo bitte gehts zur Revolution? Zwei Neuerscheinungen zu Berliner Schauplätzen im Winter 1918/19

Revolutionäre vor dem Brandenburger Tor, 1918
Von Michael Bienert. In wenigen Tagen soll sich Berlin in eine aufgeschlagenes Geschichtsbuch verwandeln: Mehrere Ausstellungen zur Novemberrevolution werden eröffnet und 100 Orte in der Stadt sollen als Schauplätze revolutionärer Ereignisse im Winter von 100 Jahren markiert werden. Dazu findet man bereits eine Onlinekarte auf der Website des stadtweiten Projekts 100 Jahre Revolution. Pünktlich zum Jubiläum sind an der Baustelle des Humboldt-Forums die Gerüste vor der wiederaufgebauten barocken Fassade des Berliner Schlosses gefallen: Einer der zentralen Schauplätze der Auseinandersetzungen ist wieder sichtbar geworden. Welche Rolle genau das Schloss in den Novembertagen spielte, beleuchtet der erste Band der Buchreihe Im Fokus: Er rekonstruiert die Ereignisse um die Ausrufung der ersten sozialistischen Republik durch Karl Liebknecht am 9. November 1918 am Schlossplatz, sowie die Mythenbildung, die dazu führte, dass das Portal IV des Berliner Schlosses künftig doppelt vorhanden sein wird.

Mittwoch, 24. Oktober 2018

Dienstag, 9. Oktober 2018

Künstler, die auf Bäumen hocken - Ausstellung im Düppeler Forst (noch bis 28. Oktober 2018)

Von Elke Linda Buchholz - Mitten auf dem Waldweg liegt ein Lineal. Ein minimalistischer künstlerischer Eingriff in den Naturraum oder nur ein vergessenes Relikt vom Ausstellungsaufbau? Wer dieser Tage durch den herbstlichen Forst Düppel streift, darf sich auf ungewöhnliche Entdeckungen gefasst machen. "Through a Forest Wilderness" nennt sich die ausgedehnte Frischluftschau, die ihren Besuchern zu festem Schuhwerk rät. Wie Künstler seit den Pioniertagen von Fluxus und Happening den Wald als künstlerisches Terrain eroberten, will sie erkunden. Im Osten überwog dabei oft der Impuls, staatlicher Kontrolle zu entweichen, im Westen eher die Lust an antikommerziellen Ausdruckformen. Also: den Wetterbericht studieren und ab in den Wald! Der Parcours beginnt gleich gegenüber der Kirche Sankt Peter und Paul auf Nikolskoe, die schon seit 1837 einen kulturellen Außenposten im Forstgrün markiert. Die Busanbindung ist sporadisch, aber immerhin vorhanden. Und schon nach wenigen Schritten scheint die urbane Gegenwart weit weg. Äste knacken, Laub raschelt unter den Füßen, die Pfade werden schmaler. Die Sinne schärfen sich. Es riecht nach Herbst. Wald ist immer eine immersive Ganzkörpererfahrung. Jetzt aber hat sich die Natur mit intellektuellem Input aufgeladen. Die Idee dazu hegte Kuratorin Petra Stegmann seit 10 Jahren, sie bereitete ihr Projekt mit einer Indoor-Ausstellung in Potsdam letztes Jahr vor. Nun half die Bundeskulturstiftung, das Thema dorthin zu verpflanzen, wo es hingehört: ins Freie.

Sonntag, 23. September 2018

ABC des Reisens - Ausstellung in der Kunstbibliothek

Von Elke Linda Buchholz. Reisen kostet. Als Reichstagsarchitekt Paul Wallot 1875 auf Tour ging, notierte er akribisch seine Tagesausgaben in einem Skizzenbuch. Zu Buche schlugen Eisenbahn, Diorama, „Caffé“. Das zerfledderte Büchlein blättert die Kunstbibliothek jetzt auf, nebst einem Sparkassen-Plakat von 1954, das auch Pfennigfuchsern eine Urlaubsreise ans Herz legt: „Sparen ermöglicht die Urlaubsreise.“ Quer durch die Zeiten navigiert die Ausstellung, mit der das Haus seinen 150. Geburtstag feiert. Dröge Chronologien und penible Ordnungsraster bleiben im Staub der Geschichte zurück. Als locker gestricktes „ABC des Reisens“ schlängelt sich der Parcours entlang lexikalischer Stichworte von „A“ wie Album bis „Z“ wie Ziel. Das gibt allen fünf Abteilungen der einst als Vorlagensammlung fürs Kunstgewerbe gegründeten Institution die Chance, mit spannenden und skurrilen Preziosen zu glänzen.

Montag, 3. September 2018

Hannah Höchs Adressbuch

Hannah Höchs Adressbuch
Foto: Berlinische Galerie
Von Elke Linda Buchholz. 
Hannah Höch nimmt 1917 ein kleines Büchlein zur Hand und trägt fein säuberlich die ersten Namen von Bekannten und Freunden ein. Gut sechzig Jahre später hat die Künstlerin ihr Adressbuch noch immer in Gebrauch. Unversehens ist es zu einer veritablen Collage angewachsen. Eingelegte Visitenkarten, überklebte Zusatzseiten, durchgestrichene Einträge und ergänzte Notizen haben die anfängliche Ordnung von A wie Amsterdam, Hans Arp und Augenarzt bis Z wie Zürich, Gertrud Zarniko und Galerie Zinke längst unterminiert. Das zerfledderte Original ruht heute in der Berlinischen Galerie: eine fragile Kostbarkeit mit maroder Heftung, abgegriffenen Ecken und knallroten Farbklecksen auf dem Umschlag. 

Montag, 27. August 2018

BRECHTS BERLIN - Die Stalinallee (Videotrailer)


Auf einem Spaziergang über die ehemalige Stalinallee 
stellt der Autor Michael Bienert sein neues Buch BRECHTS BERLIN vor,
 das im Oktober 2018 im Verlag für Berlin-Brandenburg erscheint.


Bildhauer mit Beduinenzelt - Für Jussuf Abbo wird eine Gedenktafel in Berlin enthüllt

Jussuf Abbo
Foto: Wikimedia Commons
Von Elke Linda Buchholz - Jussuf Abbo. Ein Name, den man nicht so schnell vergisst. Aber wer war er? Die Kunstgeschichte gibt eine Vermisstenanzeige auf. Aus dem Gedächtnis Berlins ist der Bildhauer, der einst aus Safed in Palästina hier anlangte, nahezu spurlos verschwunden. Jetzt kehrt er zurück. Diese Woche wird eine Gedenktafel für ihn am Reichpietschufer 92 enthüllt. Aber das Haus, in dem der Bildhauer viele Jahre werkelte, steht nicht mehr. Und schon mit der Beschriftung der Gedenktafel fangen die Probleme an, seufzt Dorothea Schöne. Die Leiterin des Kunsthauses Dahlem hat sich an Abbos Spuren geheftet. In tausend Richtungen laufen die Fäden. Sie weben einen bunten Teppich mit geheimnisvoll schillernden Erinnerungsmustern, der mehr Lücken und Leerstellen als belastbare Stellen liefert. Wurde der Künstler nun 1890 geboren oder 1888, 1889 oder "im Jahr der großen Dürre", wie ein Nachkomme erzählte? Dokumente fehlen. Damals gehörte Abbos Geburtsort Safed, ein uraltes Zentrum des Kabbalismus, zum Osmanischen Reich. Heute liegt die Region in Israel. Als das Osmanische Reich von der Weltkarte verschwand, wurde Jussuf Abbo staatenlos. Ihn kümmerte das erstmal wenig. Was braucht man Papiere, wenn man künstlerisch arbeiten kann und die Dinge gut laufen...

Sonntag, 1. Juli 2018

Unter Pflegefällen. Jens Sparschuhs Roman aus dem Altersheim

Von Michael Bienert. Nie verläuft ein langes Leben in gerader Linie. Biografien beschreiben Zickzack- und Wellenlinien, wenigstens einen Bogen von Nullpunkt zu Nullpunkt. Kleinkinder und die ganz Alten sind ähnlich schwach und hilfebedürftig, sie müssen gestützt und umsorgt werden, oft auch gefüttert und gewindelt.
Täglich hat der Ex-Journalist Titus Brose die prekäre Situation der Pflegefälle vor Augen. Er arbeitet im „Alten Fährhaus“, einem Seniorenheim bei Berlin, dessen Insassen auf die Überfahrt ins Jenseits warten. Brose verdient er seinen Lebensunterhalt damit, im Auftrag einer Agentur die Lebenserinnerungen der Alten in Bücher zu verwandeln. Die paar gebundenen Exemplare sind nicht für den Buchmarkt bestimmt, sondern werden von den Angehörigen gut bezahlt.
Zu den kuriosen Bewohnern des Alten Fährhauses gehört Dr. Einhorn, der sich seit Jahrzehnten mit dem Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso befasst. Eine Merkwürdigkeit in Chamissos Lebenslauf lässt den Forscher nicht los: Immer wieder hat der Dichter Ereignisse aus seinem Leben in seinen Schriften literarisch antizipiert. Ein Schlüsselrolle darin spielte sein Freund Julius Eduard Hitzig, der auch die erste Biografie Chamissos verfasste. Einhorn ist überzeugt, dass Chamissos Leben nur zu verstehen sei, indem man es chronologisch rückwärts erzählt. Er schickt Brose ins Leipziger Stadtarchiv, um dort ein biografisches Detail aus Chamissos Leben zu ermitteln, das Einhorns Theorie der „Zeitschleifen“ bestätigen soll.
Was ihm im Alten Fährhaus begegnet, bringt den Biografieprofi Brose zusehends aus dem Konzept – und öffnet ihm einen Zugang zum Erzählen seiner eigenen Geschichte. Wie Hitzig in das Leben Chamissos, so greift Brose als Regisseur ins Leben einer Insassin des Pflegeheims ein, nachdem diese ihm einen unerfüllten Lebenswunsch offenbart hat. Der Erzähler Jens Sparschuh entlässt seine Leser somit nicht ungetröstet aus dem bedrückenden Altersheimszenario seines jüngsten Romans. Seinem Helden Titus Brose verhelfen die Pflegefälle zu einem Wechsel der Perspektive auf das eigene Leben, und darin liegt auch die stille Kraft dieses unaufgeregt erzählten Romans.

Jens Sparschuh: Das Leben kostet viel Zeit. Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018, 384 Seiten, 20 Euro.

Der Affe fällt nicht weit vom Stamm - eine furiose Ausstellung im Georg-Kolbe-Museum

Von Elke Linda Buchholz. Die Chefin des Georg-Kolbe-Museums hat sich zu einer Radikalkur entschlossen. Ganz wohl ist Julia Wallner nicht dabei. Sie hat schlecht geschlafen vor der Ausstellung „Der Affe fällt nicht weit vom Stamm“ von Volker März. Denn im ehemaligen Kaminzimmer des historischen Bildhauerateliers steht jetzt Hitler neben Franco. Das akademische Franco-Porträt schuf Kolbe als Auftragswerk. Sein Bremer Künstlerfreund Gerhard Marcks, ein verfemter Künstler, ließ sein Hitler-Konterfei irritierenderweise noch 1949 in Bronze gießen. Die beiden Diktatorenköpfe hat der Gastkünstler aus dem Depot gefischt und knallt sie dem Besucher gleich zu Beginn des Rundgangs direkt vor die Nase. Ruhms. Weiterlesen