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Donnerstag, 29. März 2012

Kai Dieckmann ruft an

Es ist ja nicht so, dass der BILD-Chefredakteur nur den ganzen Tag auf Anrufe wütender Spitzenpolitiker wartet, er greift auch selbst zum Hörer, wenn ihm etwas stinkt. Heute war das ein persönlicher Angriff am Ende einer Besprechung der von BILD intensiv publizistisch begleiteten Austellung ARTandPRESS im Martin-Gropius-Bau (siehe unten). Uns war aufgefallen, dass in einem BILD-Bericht vom 22. März der Titel eines Kunstwerkes nicht wiedergegeben wurde, das einen röhrenden Hirsch auf einem Zeitungsstapel zeigt - ein schönes Bild für die Berichterstattung im Stil von BILD. Herr Dieckmann hat uns nun sehr höflich darauf hingewiesen, dass in der BILD-Ausgabe vom 28. März der Werktitel „L´envoyé special“, auf deutsch: „Sonderkorrespondent“, in Großbuchstaben zu lesen gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt war unser kritischer Artikel längst geschrieben und ins Redaktionssystem der STUTTGARTER ZEITUNG eingespeist. Natürlich hätte man die neue Nachrichtenlage bei BILD berücksichtigen und den Schluss des Artikels noch ändern müssen! Wir gestehen, dass wir zu den Leuten gehören, die es einfach nicht ertragen, täglich BILD zu lesen und deshalb an unentschuldbaren Informationsdefiziten kranken. Das ist aber nun wirklich unser Fehler! Wir leisten deshalb kniefällig Abbitte bei der stets vorbildlich auf Aktualität bedachten BILD-Redaktion.

ARTandPRESS oder: Bild Dir Deine Kunst!

Gemütlich sieht das aus, wie der Maler Claude Monet vollbärtig Pfeife rauchend seine Zeitung liest. Renoir hat ihn so gemalt. Derartige Porträts signalisierten bis ins 20. Jahrhundert Teilhabe am Tagesgeschehen und Offenheit für eine dynamische Medienwelt. Die Papierzeitung in der Hand war eine typisch moderne Haltung, so wie heute die Hinneigung des Smartphonebesitzers zu seinem Touchscreen. Da trifft es sich, dass eine Galerie von Zeitungs-Bildern der klassischen Moderne, darunter Renoirs Gemälde, im Berliner Martin-Gropius-Bau nun auf iPads betrachtet werden kann. Die virtuelle Galerie erinnert an die vielfältigen Inspirationen, die von der gedruckten Zeitung ausgingen: Picasso und Braque klebten Ausschnitte in ihre kubistischen Gemälde, Dix und Beckmann verwendeten sie als Bildmotiv, für die Montagekunst einer Hannah Höch, eines John Heartfield oder George Grosz lieferte die Zeitung genauso unverzichtbaren Rohstoff wie für Andy Warhols Multiples.
Von der iPad-Galerie der Ausstellung „Art an Press“ schweift der Blick in den weiten Lichthof des Gropiusbaus, wo Anselm Kiefer einen melancholischen Abgesang auf die Epoche der gedruckten Zeitung inszeniert hat: Bleigraue Sonnenblumen wachsen aus schrottreifen Druck- und Setzmaschinen und streuen Bleilettern auf den harten Boden. Mit Kreide hat Kiefer Verse von Paul Celan auf eine mächtige Bleiwand geschrieben: „Abend der Worte“ heißt das Bild.

Im Theater (32): Murmel Murmel an der Volksbühne

Rechteckige Farbfelder gleiten von links und rechts durch die Guckkastenbühne, verschlucken einzelne Schauspieler und lassen andere am selben Platz sichtbar werden. Die raffiniert inszenierte Applausordnung ist der Höhepunkt der jüngsten Inszenierung von Herbert Fritsch an der Volksbühne, die gestern abend Premiere hatte. Der Regisseur selbst hat dafür eine raffinierte Installation monochromer Farbflächen erdacht: Sie lassen sich so gegeneinander verschieben, dass immer neue abstrakte Bilder und Räume vor dem Auge des Betrachters entstehen. Darin bewegen sich elf Figuren - acht Herren in grauen Anzügen und drei Damen mit mächtig aufgebrezelten Frisuren - wie lustige Farb- oder Schimmelkleckse, übertrieben gestikulierend und grimassierend und ein einziges Wort ausstoßend: "Murmel Murnel Murmel Murmel Murmel ...."

Mittwoch, 28. März 2012

Ausstellungsrundgang: Friedrich der Große als Haudegen, Falschmünzer und Knuddelbär


Mitgenommen sieht er aus. Das marmorweiße Gesicht des alten Haudegens und sein Dreispitz sind fleckig als käme er aus einer Feldschlacht. Sein Blick geht ernst, fast verstört ins Leere, ohne Aufmerksamkeit für die anmutige Venus und den verführerischen Götterboten Hermes aus Sanssouci, die den Treppenaufgang in der kleinen Kuppelhalle des Bode-Museums flankieren.
Eine Etage höher steht Friedrich der Große noch einmal, umringt von Generälen, die für ihn starben. Das blitzsaubere Standbild oben ist eine Kopie, unten hat sich die deutsch-polnische Geschichte in das Original eingefressen wie Säure. Der Berliner Bildhauer Johann Gottfried Schadow meißelte die Denkmalfigur für Stettin, wo sie 1793 aufgestellt wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg lange unauffindbar war. Für die polnisch gewordene Stadt kam eine Ehrung Friedrichs im öffentlichen Raum nicht in Frage. In den Augen der östlichen Nachbarn war er Raubtier, mit seinem Namen verbinden sie die erste polnische Teilung von 1772 und das jahrzehntelange Verschwinden Polens von der politischen Landkarte.
Vom Schreckgespenst zum kriegsversehrten Friedenbotschafter: Dieser  wunderbare Bedeutungswandel ist Schadows Friedrich-Bildnis nun widerfahren. Das schwer beschädigte Original wurde von polnischen Restauratoren mit deutscher Unterstützung wiederhergestellt und vom Nationalmuseum in Stettin zum 300. Geburtstag des Königs nach Berlin ausgeliehen. Nicht auf Hochglanz poliert, sondern als angeschlagener Veteran der deutsch-polnischen Beziehungen, auf Beinprothesen aus blankem Marmor.
„Soll das Land glücklich sein, will der Fürst geachtet werden, so muss er Ordnung in seinen Finanzen halten. Noch nie hat sich eine arme Regierung Ansehen verschafft“, steht einige Säle weiter in Großbuchstaben an einer Wand über Vitrinen, in denen mit Münzen aus Friedrichs Regierungszeit glänzen. Taugt er etwa doch noch als Stichwortgeber für die Gegenwart? Eine Sonderschau des Münzkabinetts schafft es zumindest, das friderizianische Geldwesen als spannendes Politikfeld darzustellen. Die faszinierenden Widersprüche des königlichen Charakters werden darin sichtbar: Friedrich wirtschaftete umsichtig mit dem Staatsschatz, den ihm sein krämerischer Vater hinterlassen hatte, schreckte aber auch vor waghalsigen Spekulationen nicht zurück, um seine Ziele zu erreichen. Den Siebenjährigen Krieg finanzierte er zum Teil durch Falschmünzerei. Danach aber beeilte er sich, das Vertrauen in den Geldkreislauf  durch ebenso beherzte Reformen zurückzugewinnen: „Ich zahle über kurz oder lang alle Staatsschulden; dann kann ich ruhig sterben, wann es mir gefallen wird.“

Freitag, 23. März 2012

App ins Wochenende: Die Zwanziger Jahre um Berlin

Am S-Bahnhof Griebnitzsee
Der Frühling ist da und rechtzeitig zum Beginn der Ausflugssaison bieten wir einen kleinen Führer zu interessanten Ausflugszielen um Berlin gratis an. Albert Einstein segelte auf der Havel, Marlene Dietrich drehte in Babelsberg, Gewerkschafter und Bauhäusler bauten ein Schulungszentrum bei Bernau - die Zwanziger Jahre haben auch im Berliner Umland sehenswerte Spuren hinterlassen. Der digitale Führer DIE ZWANZIGER JAHRE UM BERLIN kann nach Installation der Guidewriters-App gratis aufs iPhone geladen werden, ist aber auch komplett mit Karte - nur nicht ganz so smart in der Darstellung - auf üblichen Internetbrowsern wie Safari und Firefox abrufbar und zwar HIER.

Mittwoch, 21. März 2012

Pacific Standard Time - Kunst aus L. A.

Von Elke Linda Buchholz. In Los Angeles ticken die Uhren anders: Wenn in New York ein neuer Tag anbricht, herrscht an der Westküste noch tiefe Nacht. Schon immer stand die Kunstszene Kaliforniens im Schatten von New York, dem nach dem Zweiten Weltkrieg tonangebenden Kunstzentrum. Das soll sich jetzt ändern: Zehn Jahre lang hat das renommierte, in L.A. angesiedelte Getty Research Institute geforscht, es hat die mittlerweile betagten Protagonisten der Szene befragt sowie Archive und Nachlässe durchforstet. Die Ausstellung „Pacific Standard Time“ bringt nun mit siebzig Werken von fünfzig Künstlern aus der Zeit zwischen 1950 und 1980 ein starkes Kondensat davon nach Berlin. Weiterlesen in der STUTTGARTER ZEITUNG von heute.

Berlin Transit: Migrationsgeschichte im Jüdischen Museum

Brennende Häuser und Synagogen, nackt gefesselte Menschen, Schwangere mit aufgeschlitzten Bäuchen: In berührende Aquarelle hat der Maler Issaachar Ber Ryback den Schrecken der Progrome in seiner russischen Heimatstadt im Frühjahr 1919 gebannt, mit einer an Kinderzeichnungen erinnernden Direktheit, dabei aber eine ganz eigene Bildsprache zwischen modernem Kubismus und russischer Ikonenmalerei gefunden. Der Bildzyklus ist der Auftakt zu einer furios inszenierten Ausstellung über die Schicksale osteuropäisch-jüdischer Einwanderer in den Zwanziger Jahren.

Dienstag, 20. März 2012

Guidewriters - was ist das?

Unsere ersten digitalen Berlin-Führer sind in Zusammenarbeit mit Guidewriters entstanden, einem Unternehmen, das uns einen bequemen Import von Texten, Fotos und Informationen ins mobile Internet ermöglicht - und sie dem Nutzer sehr ansprechend in Form digitaler Karten nutzbar macht. Im Blog netzwertig stellt Martin Weigert das Projekt erstmals vor, das heute ganz offiziell gestartet ist.

Friedrich der Große auf dem iPhone













Jetzt ist es soweit: Apple hat die App, auf der wir ab sofort digitale Reiseführer anbieten können, freigegeben und in den App Store aufgenommen. Wir starten gleich mit drei Navigationsangeboten: Der Guide Friedrich der Große in Berlin ist ein Wegweiser ins aufgeklärte Berlin des 18. Jahrhunderts, für den uns die Zentral- und Landesbibliothek historisches Kartenmaterial zur Verfügung gestellt hat.

Montag, 12. März 2012

Koalition der Freien Szene fordert Umsteuern der Kulturpolitik

Baustelle Kulturförderung: Auch die
Sophiensäle beklagen Wettbewerbsnachteile
Heute nachmittag lässt sich der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses in einem Anhörungsmarathon von Berliner Theaterintendanten, Museumschefs und anderen LeiterInnen von Kulturinstitutionen in einem mehrstündigen Anhörungsmarathon erläutern, wie es um ihre Finanzausstattung bestellt ist - denn dieser Tage wird der Doppelhaushalt für 2012/13 aufgestellt. In dieses parlamentarische Ritual hinein platzt ein Protestschreiben der Freien Szene, die sich chronisch benachteiligt sieht: "Die Entwicklung des Berliner Kulturhaushaltes in den letzten 10 Jahren ist in Bezug auf die Förderung von freien Strukturen mehr als Besorgnis erregend. Standen vor zehn Jahren noch rund 10 % des Kulturhaushaltes an disponiblen Mitteln zur Verfügung, sind es heute mit rund € 10 Millionen nur noch 2,5 %. Hinzu kommen weitere € 10 Millionen aus dem vom Bund finanzierten Hauptstadtkulturfonds, die aber nur zu etwa 60 % freien Projekten zur Verfügung stehen. (...) Zwar wird die Entscheidung, den Etat für freie Projekte um € 500.000 (ab 2012) aufzustocken als erster Schritt hoffnungsvoll aufgenommen, dies entspricht jedoch nicht annähernd den Notwendigkeiten und der Bedeutung der Freien Szene Berlins."