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Freitag, 26. Februar 2010

Mit Kunst im Rücken regiert es sich besser


Die Berührungen zwischen Kunst und Politik sind ein ständiges Thema in meiner Kulturrepublik-Kolumne, die jeden Montag in der STUTTGARTER ZEITUNG erscheint. Derzeit zeigt das Deutsche Historische Museum eine äußerst gelungene Ausstellung über die Art und Weise, wie Kunst von den Mächtigen in Politik und Wirtschaft für Repräsentationszwecke genutzt wird. Hier finden Sie eine ausführliche Besprechung, mit besonderem Fokus auf der Selbstinszenierung Guido Westerwelles als Kunstsammler und Politavantgardist.

Sonntag, 14. Februar 2010

Nicht jammern, sondern anpacken!


In den vergangenen Tagen konnte man sich als passionierter Fußgänger wieder einmal als Mensch 2. Klasse fühlen, denn während die wichtigen Autostraßen eisfrei gemacht wurden, um Unfälle zu verhindern, fühlte sich für die Sicherheit der unmotorisierten Verkehrsteilnehmer auf den eisglatten Bürgersteigen niemand wirklich zuständig. Es mussten erst ein paar Polizisten vor ihren Wachen ausrutschen und sich die Knochen brechen, ehe der Senat einen Handlungsbedarf sah. Auch der Streu- und Räumdienst, der für unser Mietshaus zuständig ist, versagte kläglich. Weil das so nicht weitergehen kann, haben wir am Wochenende selber angepackt. Den Kindern aus dem Haus machte es richtig Spaß, die zehn Zentimeter dicke Eisdecke vor dem Haus aufzupicken und einen rutschfesten Pfad für Fußgänger anzulegen.

Betriebsgeheimnisse (3): Wieland Giebel


Es war ein bisschen wie beim Bundespräsidenten, man musste Schlange stehen, um dem Geburtstagskind die Hand zu schütteln, so viele Leute waren zum Empfang gekommen. Wieland Giebel kenne ich seit 20 Jahren, er gab damals Reiseführer heraus und schickte mich kurz nach dem Mauerfall auf den Prenzlauer Berg, nach Marzahn, Dresden und Potsdam, um zu recherchieren und aktuelle Texte zu schreiben. Wielands Vertrauen, dass ich das schon gut machen würde, und seine Bereitschaft, diese Arbeit fair zu bezahlen, waren eine enorme Hilfe bei der Einstieg in journalistische Arbeit. Später gründete er die einzigartige Buchhandlung Berlin Story unter den Linden, den gleichnamigen Verlag (in dem drei meiner Berlin-Bücher lieferbar sind) und das Geschichtsfestival Historiale. Wieland ist ein umtriebiger Mensch, immer von jungen Leuten umgeben, denen er etwas zutraut und eine Chance zum Mitanpacken gibt. Kaum zu glauben, dass er nun schon 60 geworden ist.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Mit Brecht durch Eis und Schnee


"Sozialismus ist als große Produktion zu definieren ... und der Kampf dient der Befreiung der Produktivität aller Menschen von allen Fesseln", steht auf dem Brecht-Denkmal vor dem Berliner Ensemble, aber wo genau? Und was hat die versteckte Platzierung zu bedeuten? Das ist ab heute online nachzulesen in der Kolumnenreihe Kulturrepublik, denn heute ist Brecht-Geburtstag. Vor ein paar Tagen bin ich mit zwei Deutsch-Leistungskursen aus Regensburg vom Berliner Ensemble zum Brechthaus und zum Dorotheenstädtischen Friedhof marschiert, eisig wars, aber dann doch sehr poetisch zwischen den verschneiten Gräbern der Firma Brecht & Co. Im nachhinein fällt mir auf, dass die Schüler alle noch gar nicht geboren waren, als ich solch einen literarischen Spaziergang 1990 zum ersten Mal unternommen habe.

Im Theater (1): Kabale und Liebe


Im Deutschen Theater hat Stephan Kimmig Kabale und Liebe inszeniert und sich dabei seine Gedanken gemacht, inwieweit die heutige Gesellschaft dem von Schiller angegriffenen Feudalsystem immer ähnlicher wird. Die meisten Kritikerkollegen waren nach der Premiere etwas ratlos, aber in der 2. Vorstellung ging das Konzept sehr gut auf. Ein Bericht.

Sonntag, 7. Februar 2010

Rom im Februar


Unser jüngster Mitarbeiter war vor 12 Jahren schon mal in Rom, hat damals die Stadt aber nur dumpf rumoren gehört, denn er saß noch in Mamas Bauch. In der vergangenen Woche hat er die antiken Stätten zum zweiten Mal besucht, war im Kolosseum, auf dem Palatin, in der alten Hafenstadt Ostia und hat viele tolle Fotos für unser Archiv mitgebracht.

Samstag, 6. Februar 2010

Ein Platz für Siegfried Kracauer


"Der Wert der Städte bestimmt sich nach der Zahl der Orte, die in ihnen der Improvisation eingeräumt sind." Das Zitat von Siegfried Kracauer steht als Motto am Anfang meines letzten Buches Stille Winkel an der Berliner Mauer. Das ist einer der Leitsätze, die mich als Berlin-Autor und Berlin-Kritiker seit vielen Jahren begleiten. Siegfried Kracauer hat vor 80 Jahren für die Frankfurter Zeitung als Berliner Feuilletonkorrespondent gearbeitet, seine Texte gehören zum Wertvollsten, was über die Stadt geschrieben worden ist. Seit einem Jahr kämpft eine Bürgerinitiative in Charlottenburg darum, den Holtzendorffplatz, an dem Kracauer wohnte, nach ihm zu benennen. Sie hat jetzt endlich eine eigene Homepage, pünktlich zum 121. Geburtstag Kracauers am 8. Februar 2010. Inzwischen gibt es einen Beschluss der Charlottenburger Bezirksverordneten für eine Platzumbenennung, ein genauer Termin steht aber noch nicht fest. Michael Bienert

Freitag, 5. Februar 2010

Wozu noch Journalismus?

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So weit ist es schon gekommen, dass die Süddeutsche Zeitung eine große Serie der Frage widmet: Wozu noch Journalismus? Dabei versteht sich eigentlich von selbst, dass eine Demokratie verlässliche Nachrichten braucht, gründliche Recherche, investigativen Journalismus und kontroverse Meinungsbildung. Sonst leben wir irgendwann nur noch in einer Wolke von manipulativen Werbebotschaften und Halbwahrheiten. Die Frage ist viel eher, wie so etwas in der veränderten Medienlandschaft (auch ökonomisch) zu realisieren ist. Der ehemalige Deutschlandradio-Intendant ruft die Journalisten dazu auf, das alte journalistische Ethos mit ins Internet zu nehmen, in der "Netz-Anarchie" ein "attraktives Angebot der Welterklärung" zu eröffnen und sich als "Anker der Verlässlichkeit" zu etablieren: "Journalisten sind nicht Betreiber einer digitalen Quasselbude". Bemerkenswert ist das Plädoyer von Elitz, die Zurückhaltung der Qualitätsmedien beim Zeigen verstörender Katastrophen- oder Krankheitsbilder zu lockern. Es gehe nicht darum, "dem Medienkonsumenten den Blick in einer immer ungemütlicher werdende Welt zu blockieren. Dagegen steht das journalistische Ethos, dass um die Würde des Menschen zu wahren, auch seine Entwürdigung gezeigt werden muss." Zum Artikel von Ernst Elitz

Mittwoch, 3. Februar 2010

Betriebsgeheimnisse (2): Fontanes Stilkunde


Beim gestrigen Besuch in der Stadtbibliothek - das Foto zeigt den derzeitigen Haupteingang, mehr dazu in Betriebsgeheimnisse (1) - bin ich unerwartet auf ein Rarissimum gestoßen, eine in 200 Exemplaren nur für Mitglieder gedruckte Festschrift zum zehnjährigen Bestehen der Litteraturarchiv-Gesellschaft in Berlin aus dem Jahr 1901. Sie machte mich neugierig, weil ich noch nie von einem solchen Archiv in Berlin gehört hatte. Ein Kapitel der Festschrift heißt Aus Fontanes Werkstatt und überliefert einige Briefstellen über literarische Projekte, Finanzierungsschwierigkeiten und Stilfragen. Am 3. März 1881 verteidigt Fontane die massenhaft auftretenden "unds" in manchen Werken, bei denen einem "himmelangst" werden könne: "Warum müssen sie bleiben? Es stört, es verdriesst etc. Und doch! Ich bilde mir nämlich ein, unter uns gesagt, ein Stilist zu sein, nicht einer von den unerträglichen Glattschreibern, die für alles nur einen Ton und Farbe haben, sondern ein wirklicher, d. h. also ein Schriftsteller, der dem Dinge nicht seinen alt-überkommenen Marlitt- oder Gartenlauben-Stil aufdrängt, sondern umgekehrt einer, der immer wechselnd seinen Stil aus der Sache nimmt, die er behandelt. Und so kommt es, dass ich Sätze schreibe, die 14 Zeilen lang sind und dann wieder andere, die noch lange nicht 14 Silben, oft nur 14 Buchstaben aufweisen. Und so ist es auch mit den unds. Wollt´ ich alles auf den Und-Stil stellen, so müsst ich als gemeingefährlich eingesperrt werden. Ich schreibe aber Mit-und-Novellen und Ohne-und-Novellen, immer in Anbequemung und Rücksicht auf den Stoff. Je moderner desto und-loser, je schlichter, je mehr sancta simplicitas, desto mehr und." Alles ist erlaubt, bloß kein Einheitsstil. Michael Bienert

Betriebsgeheimnisse (1): Die Stadtbibliothek



Leser wundern sich gelegentlich darüber, was ich so alles über Berlin weiß. Dabei habe ich vieles, was in meinem Büchern steht, längst schon wieder vergessen. Wenn ich an einem Text schreibe, habe ich oft nur eine vage Ahnung, wo ich eine Geschichte, eine Information, eine Spur oder ein Zitat finden könnte, um voranzukommen. Neben dem eigenen Büchervorrat und dem Interet ist dann das Zentrum für Berlin-Studien in der Stadtbibliothek der wichtigste Anlaufpunkt. Das Zentrum ist eine Präsenzbibliothek, das heißt, ich muss nicht lange im Katalog suchen, sondern kann in den Büchern stöbern, die sinn- und sachverwandt in der Regalen beieinander stehen. Da findet sich dann immer etwas, was man nicht gesucht hat, was einem aber später noch einmal nützlich sein kann. Zur Zeit ist die Stadtbibliothek eine Baustelle. Ein großer Teil der Berlin-Bücher steht in geheizten Containern auf dem Hof, nicht sehr gemütlich, aber man muss nicht mehr so viele Treppen steigen, um von einem Bestand zum nächsten zu gelangen. Draußen vor der Bibliothek, auf dem Schlossplatz, sieht es auch nicht aufgeräumter aus. Michael Bienert