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Mittwoch, 23. Dezember 2015

Buddha am Drehort Staaken - Der Filmpionier Paul Wegener im Museum für Asiatische Kunst

Paul Wegener mit Buddha. Foto: smb
Von Elke Linda Buchholz - Als "Golem" geisterte er über die Leinwand, mächtig und unheimlich. Als "Student von Prag" nutzte er 1913 das noch junge Filmmedium zum abgründigen Doppelgänger-Spiel. Als "Großer Mandarin" strahlte er die Ruhe Buddhas aus: Den Schauspieler und Regisseur Paul Wegener kennt man als personifizierten Filmklassiker der Zwanziger Jahre in wechselnden Rollen, vor und hinter der Kamera, und in schillernden Kostümen quer durch die Zeiten und Erdteile. Dass er auch ein profunder Kunstsammler und Kenner ostasiatischer Kulturen war, zeigt jetzt eine Ausstellung im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem. Originale Filmplakate und Setfotos aus Paul Wegeners Schwarzweißfilmen versammelt sie mit imponierenden chinesischen Großskulpturen und zierlichen Statuetten aus Alabaster oder Bronze zu einer überraschenden Kabinettausstellung. Was Wegener damals im Herrenzimmer seiner Wohnung in der Binger Straße an Asiatika aufstellte, schenkte seine Witwe später teilweise dem Berliner Museum: darunter Spitzenstücke wie eine kapitale Luohan-Figur aus der Ming-Dynastie des 15. Jahrhunderts. Der überlebensgroße, vergoldete Buddhajünger zeigt sich darin so versunken und in sich ruhend, wie es Wegener wohl selbst anstrebte. Ihn faszinierte die asiatische Weisheit und Kunst derart, dass er sogar Vorträge darüber hielt. 1926 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Freundeskreises der Ostasiatischen Kunstsammlung. In Hamburg, Paris, Amsterdam und Bukarest jagte Paul Wegener asiatischen Preziosen für seine Sammlung hinterher. Ganz pragmatisch nutzte der Filmstar sie auch als Requisiten bei Dreharbeiten, etwa für den 1925 in der Zeppelinhalle Staaken gedrehten Stummfilm "Lebende Buddhas", in dem er neben Asta Nielsen auftrat. Ein damals im Film genutztes mannshohes Ritualgerät aus Kupferblech steht jetzt hier in der Vitrine. Der amibitionierte Buddha-Film Publikum floppte trotz aufwendiger exotischer Settings. Wegeners Asienbegeisterung tat das keinen Abbruch: Noch 1939 ließ er sich in seinem Berliner Haus beim meditativen Betrachten einer Buddhakopfes fotografieren. Wohlgefällig schaut ihm der große Luohan dabei über die Schulter.

Der große Mandarin
Paul Wegener, Pionier der Filmkunst und seine asiatische Kunstsammlung
Museum für Asiatische Kunst bis 20.3.2016
Infos und Öffnungszeiten

Samstag, 19. Dezember 2015

Leidet Venedig an Demenz? Salvatore Settis´ Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte

Foto: Elke Linda Buchholz
Von Elke Linda Buchholz - Salvatore Settis ist wütend. Der 74jährige Altmeister der italienischen Kunstgeschichte verfolgt die Lage Venedigs seit langem mit wachsender Besorgnis. Jetzt reicht es ihm. Nicht steigende Hochwässer, stinkendes Lagunenwasser, verfallende Gemäuer machen ihm Sorgen. Die eigentliche Bedrohung des kostbaren Stadtkörpers sieht er anderswo: in der rapiden Umwandlung einer bewohnten, lebendigen Stadtkommune in eine museale Kulisse mit Hotelfunktion, die letztlich nicht mehr wert ist als die überall auf der Welt emporschießenden Imitate. Ob "The Venetian" in Las Vegas oder in Macao, vielerorts kann man die Highlights der Lagunenstadt mittlerweile bewundern. Das echte, von normalen Menschen benutzte Venedig dagegen schwindet, ist schon fast nicht mehr existent. Bereits kursieren Pläne, auf einer vorgelagerten Insel ein "Veniceland" als historischen Themenpark für Touristen zu installieren. Der italienische Staat bietet sein historisches Erbe derweil scheibchenweise im Internet feil. Der Immobilienwert der Insel La Certosa etwa wurde 2010 auf gut 28 Millionen beziffert. Aber, so Settis, eine Stadt wie Venedig hat keinen Preis. Sie besteht auch aus Unsichtbarem, ist Erinnerung, Erfahrung, Allgemeinbesitz: Kulturgut eben.
Was würde, fragt Settis, Dantes "Göttliche Komödie" oder Michelangelos "Jüngstes Gericht" dem Staatshaushalt an Dividende einbringen? Mit seiner jetzt auf deutsch erschienenen "Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte" erweitert der Gelehrte einen 2012 gehaltenen Vortrag zu einem fundierten Essay. Das kluge Buch, untermauert mit Zahlen und Fakten, gibt zu denken und betrifft nicht nur den im Zentrum stehende Sonderfall Venedig, sondern unseren Umgang mit historisch gewachsenen Stadtstrukturen und urbanen Räumen allgemein Warum sie so unersetzlich sind und wie die inflationär aufploppenden Nachbauten, die translozierten Museumsdörfer und wieder aufgebauten "Originale" das Erleben der realen Städte verändern, schildert er ebenso wie das geschichtsvergessene Emporwachsen von Hochhäusern, die die historischen Stadtkerne dominieren und degradieren.
Bizarres diagnostiziert der Autor etwa in Mailand. Da dort seit alters her festgeschrieben war, dass kein Bauwerk höher ragen durfte als der madonnenbekrönte Dom (108 Meter), griffen Stadtväter und -planer zu einer List. Eine Kopie eben dieser Madonnenfigur wurde auf die Spitze eines höher geplanten Hochhauses montiert. Als dann der nächst höhere Wolkenkratzer den ersten überragte, schwebte die "Madonnina" kurzerhand dorthin weiter.
Settis macht klar: Auch Städte können ihr Gedächtnis verlieren und einer Amnesie verfallen, wie Menschen. Ein Venedig in Demenz? Schauerliche Vorstellung.

Salvatore Settis
Wenn Venedig stirbt 
Streitschrift gegen den Ausverkauf der Städte
Wagenbach Verlag, Berlin 2015
160 Seiten, 14,90 Euro
ISBN 978 3 8031 3657 2

Erstdruck: literaturblatt für baden-Württemberg, Heft 1/2016

Mehr lesen:
Elke Linda Buchholz über das literarische Venedig
Elke Linda Buchholz über neue Architektur in Venedig

Dienstag, 1. Dezember 2015

Weltreise - Ulrike Ottingers Ausstellungsinstallation in der Staatsbibliothek

Die Weltreisenden des 18. und 19. Jahrhunderts hatten nicht die Möglichkeit zu fotografieren und filmen, sie mussten genau hinschauen, zeichnen, beschreiben und sammeln. Adelbert von Chamisso ließ sich von Eskimos kleine Walmodelle aus Holz schnitzen, nach denen er später Zeichnungen anfertigte. Beides ist nun in der Staatsbibliothek zusammen mit Filmaufnahmen zu sehen, die die Künstlerin und Filmemacherin Ulrike Ottinger von einer Reise in die Beringsee mitgebracht hat. In einer brillanten Großprojektion ist das Auftauchen der Wale von einem schwankenden Schiff zu erleben: Buckel, Schwanzflosse und Atemstrahl, ein großartiges Schauspiel, wie es sich nicht anders dem Naturforscher Chamisso auf dem russischen Segelschiff "Rubrik" bot.
Die von Ulrike Ottinger und Jutta Weber gestaltete Ausstellung "Weltreise" der Staatsbibliothek versammelt selten gezeigte Aufzeichnungen, Skizzen und Mitbringsel der großen Weltreisenden Johann Reinhold Forster, Alexander von Humboldt und Adelbert von Chamisso, kombiniert mit Auszügen aus Ottingers eigenen Arbeitsbüchern und Notizen.