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Mittwoch, 19. Juni 2013

Im Theater (49): Herbert Fritsch inszeniert "Frau Luna" an der Volksbühne

Auf einem roten Fahrrad schwebt der Regisseur Herbert Fritsch beim Schlussapplaus über die Bühne - und wird von Schauspielern, Sängern und Publikum bejubelt, denn mit seiner Frau Luna-Inszenierung an der Volksbühne ist ihm ein großer Wurf gelungen. Der Paul-Lincke-Operette von den vier Berlinern, die mit einem Ballon zum Mond reisen, liefert das Gerüst für eine schrille Mischung aus Slapstick, Steptanz, Comedy, Clownszirkus und Musiktheater, fernab von Marschmusik und Schnulzenseligkeit. Der Musiker Ingo Günther hat die Hits von einst mit modernen Rhythmen und spacigen Synthesizersounds unterlegt, nur leider - und das ist die einzige Vergnügensbremse an diesem Abend - die Tonmischung nicht so hinbekommen, dass man die Sänger gut versteht. Hinreißend schräge Figuren gibt es viele zu bestaunen: Florian Anderer steppt als Fritz Steppke, was das Zeug hält, Ruth Rosenfeld gibt die große Verführerin als Frau Luna, Nora Buzalka ein aufgetakeltes Pfundsweib namens Pusebach. Hubert Wild bringt seinen Prinz Sternschnuppe zwischen Todtraurigkeit und totaler Lächerlichkeit zum Flirren. Den Chor holt Fritsch mit Fahrrädern auf die Drehbühne, eine von vielen genial  einfachen und wirkungsvollen Ideen. Am Schluss erklingt nicht das schmissige Das ist die Berliner Luft, sondern ein Memento Mori: "Ist die Welt auch noch so schön / einmal muss sie untergehn / darum springt / und genießt, was der Tag euch noch bringt..." Herbert Fritsch lässt es krachen, sein Ensemble springt und steppt und albert und singt, als gäbe es kein Morgen. Und das ist in dieser irren Konsequenz, menschenfreundlichen Radikalität und artistischen Hingabe nicht nur sehr unterhaltsam, sondern auch herzerwärmend.

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