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Montag, 27. Februar 2012

Berliner Kulturhaushalt in der Beratung

Während der Bundestag über das 130-Millionen-Paket zur Rettung Griechenlands vor der Staatspleite abstimmt, besichtigen wir im Preußischen Landtag die Mühen der parlamentarischen Tiefebene: Haushaltsberatung im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses. Da geht es "nur" um die Verteilung von 362 Millionen Euro im Jahr 2012 und 366 Millionen Euro im Jahr 2013 an Berliner Kulturinstitutionen und freie Künstler. Die gute Nachricht: Es muss nicht brutal gekürzt werden, die Zuschüsse steigen sogar leicht (2011 lagen die Ausgaben bei 358 Millionen Euro). Aber an der Mangelwirtschaft in vielen Kultureinrichtungen der Stadt ändert das auch nicht viel.
In seinem einleitenden Statement nannte sie Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) "auskömmlich" finanziert und verwies auf die 63 Milliarden Euro Schulden des Landes Berlin. Die SPD-Fraktion erinnerte an die Erhöhung des Kulturetats um 36 Millionen Euro seit 2008, dank derer die weitere Schließungen von (Landes-)Einrichtungen nicht auf der Tagesordnung stehe. Neben dem Großprojekt einer neuen "Metropolenbibliothek" will sie je 500.000 Euro zusätzlich für die Förderung der freien Theaterszene und der Kunstszene locker machen, 100 neue Künstlerateliers und 25 neue Musik-Proberäume zur Verfügung stellen. Der Koalitionspartner CDU beharrte darauf, dass über die Streichung eines geplanten "archäologischen Zentrums" noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Die Grünen bestreiten, dass die Erhöhung des Kulturetats viel bringe, da der Zuwachs durch die Tarifsteigerungen bei den Beschäftigten und die Anpassungen an den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gültigen Mindestlohn weitgehend aufgefressen werde. "Prekarisierung und Selbstausbeutung" in der freien Szene würden vorangetrieben. Die Linke fordert mehr Kultur für Kinde und Jugendliche und einen Abbau von Zugangsbarrieren. Der Senat müsse sich auch für die Kultur in den Bezirken Mitverantwortung übernehmen, um dort Bibliotheksschließungen und weiteren Kulturabbau zu verhindern. Die Piraten nahmen erstmals an einer Beratung des Kulturhaushalts teil, sie wünschen sich einen Mindestlohn für die freie Szene und erklärten ihre Bereitschaft, von den erfahrenen Kollegen der anderen Fraktionen zu lernen. Nach den Statements begann der lange, vom Mittag bis in den Abend dauernde Marsch durch den Haushaltsentwurf der Kulturverwaltung, Seite für Seite, Kennziffer für Kennziffer, wobei sich André Schmitz bohrenden Fragen stellen musste: Wie sollen die Mietsteigerungen für das Puppentheater Hans Wurst Nachfahren bezahlt werden? Wieviel kostet jährlich die Instandhaltung des Brandenburger Tores, die bisher ein Sponsor bezahlt hat? Warum wird der Zuschuss für das Internetportal "Lyrikline" gekürzt? Größter Zankapfel ist das größte und prestigeträchtigste Projekt des Senats, der Neubau für die Zentral- und Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Feld. Die Piraten lehnen ihn rundweg ab und fordern eine Stärkung der Bibliotheken in den Bezirken. Die Grünen wollen das auch, sprechen sich jedoch lediglich für eine Verkleinerung des Neubauprojekts aus. Der Linken mißfällt der glamouröse Begriff "Metropolenbibliothek", mit dem vom Siechtum der Bibliotheken in den Bezirken abgelenkt werde. Der komplette Haushaltsentwurf ist hier zu finden (siehe: Einzelplan 03).

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