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Dienstag, 16. November 2010

Kolonialpolitik

Was soll man da meckern? Trotz Sparmaßnahmen in fast allen Ministerien wird Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) im kommenden Jahr mehr Geld zur Verfügung haben, sein Etat steigt um 2,4 Prozent, das sind 27 Millionen Euro mehr, vor allem für den Denkmalschutz. Aber auch die Kulturstiftung des Bundes profitiert von den Beschlüssen des Haushaltsausschusses des Bundestages, der vergangene Woche tagte. Das war nicht unbedingt zu erwarten, der positive Bescheid spricht für den Kulturverstand der Abgeordneten.
Sie haben auch dem Goethe-Institut ihr Vertrauen ausgesprochen, indem sie die Sparvorschläge des Auswärtigen Amtes neutralisierten: Zwar akzeptierten die Parlamentarier eine Budgetkürzung um 8 Millionen, bewilligten aber dem Goethe-Institut dieselbe Summe zusätzlich für die Förderung der deutschen Sprache im Ausland. Ein Kompromiss, bei dem niemand sein Gesicht verliert.
Warum allerdings das Berliner Haus der Kulturen der Welt eine 20-prozentige Kürzung seiner Förderung durch das Auswärtige Amt hinnehmen muss, bleibt ein Rätsel. Seit 1989 bietet es den außereuropäischen Kulturen in der Hauptstadt eine Plattform. Es signalisiert weltweit, dass Deutschland nicht nur eine kulturelle Exportnation sein will, sondern auch auf die Welt neugierig ist.
Wie wenig man hierzulande von fremden Kulturen immer noch weiß, zeigen viele unsägliche Wortmeldungen in der aktuellen Integrationsdebatte. Um den internationalen Kulturdialog zu fördern, will der Bund in den kommenden Jahren 552 Millionen Euro für ein Humboldt-Forum am Berliner Schlossplatz ausgeben. Es ist total absurd, nun das Haus der Kulturen zu schröpfen, das hier und jetzt leistet, was das Humboldt-Forum eines fernen Tages einmal leisten soll.
Vom Ausland gesehen sieht das nach Kolonialpolitik aus: Die Deutschen nehmen den Export ihrer eigenen Sprache wichtiger als die Begegnung mit fremden Kulturen im eigenen Land. Ohne Not setzt das Auswärtige Amt ein völlig verkehrtes kulturpolitisches Signal.
Kulturpolitischer Kommentar, erschienen in der STUTTGARTER ZEITUNG vom 16. November 2010.

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