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Mittwoch, 31. März 2010

Im Theater (5): Thalheimers "Nibelungen"


Am Burgunderhof in Worms, fernab ihrer nordischen Heimat, fühlt sich die mit Riesenkräften gesegnete Kriegerin Brunhild wie ein verlorenes Kind. Das Blau des Himmels ängstigt sie, sie sehnt sich nach Nebel und einem kräftigen Gewitter: „Ich kann mich nicht an so viel Licht gewöhnen, / Es tut mir weh, mir ist´s, als ging ich nackt, / Als wäre kein Gewand hier dicht genug.“ Das mythische Superweib, am Deutschen Theater eine sinnliche schwarzlockige Schönheit, zeigt Schwäche und weckt Mitgefühl. Es ist einer der seltenen Momente in Michael Thalheimers dreistündiger Inszenierung von Hebbels „Nibelungen“, in denen Faszination für den Stoff und Nähe zu einer Figur zugelassen wird. Sonst gleicht sie einem Panzer, der dröhnend am Publikum vorbeirasselt und eine platte blutrote Fahrspur hinterlässt. - Lesen Sie die ausführliche Aufführungskritik hier.

Mittwoch, 24. März 2010

Nelly Sachs im Jüdischen Museum

Die erste Literaturausstellung im Jüdischen Museum ist ungewöhnlich gelungen mit ihrer kurvigen Austellungsarchitektur, die sich komplementär zu den spitzen und schiefen Winkeln des Libeskindbaus verhält. Durch kreisrunde Ausschnitte, Ein- und Ausgänge, Durchblicke erlaubt sie diskrete Einblicke in ein Dichterinnenleben, in dem vieles geheim bleiben sollte. Als die jüdische Berlinerin Nelly Sachs 1940 in letzter Minute vor den Nazis nach Schweden fliehen konnte, war sie 49 Jahre alt; erst im Exil und in der Trauer hat sie ihren eigenen lyrischen Ausdruck gefunden. In den sechziger Jahren erhielt sie zahlreiche literarische Ehrungen aus Deutschland - und den Literaturnobelpreis. Die Verfolgung durch die Nazis aber wirkte nach: Die zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in Stockholm lebende Dichterin entwickelte Symptome von Verfolgungswahn und musste sich deswegen in klinische Behandlung begeben. Der schwedische Schriftsteller Aris Fioretos hat die Ausstellung kuratiert und eine opulente, einfühlsame und spannend zu lesende Bildbiografie verfasst (Suhrkamp Verlag, 29.90 Euro) - eine grandiose Gelegenheit zur Neuentdeckung der 1970 verstorbenen Dichterin, deren Werk viel zu wenig gelesen wird. - Die ausführliche Ausstellungskritik lesen Sie hier.

Web 2.0 in der Kultur


Die Kommunikation via Internet verändert sich rapide, es entstehen neue Informationskanäle und bewährte verlieren an Bedeutung - das spüren nicht nur die etablierten Medienunternehmen, das beschäftigt auch die Kulturveranstalter und Kulturvermittler. Deshalb stand gestern bei den Berliner Wirtschaftsgesprächen im Berlin-Saal der Zentral- und Landesbibliothek das Thema "Web 2.0. in der Kultur" auf der Tagesordnung. Uwe Mommert von der Landau Media AG stellte eindrucksvolle Statistiken über die Veränderung der Mediennutzung vor: Erst in den letzten zehn Jahren sei das Internet in Deutschland zu einem echten Massenmedium geworden und damit zu einer ernsthaften Konkurrenz für Zeitungsverlage und Fernsehsender. Es werde künftig noch sehr viel mehr Werbegeld ins Internet fließen, weil dort die Kaufentscheidungen getroffen würden. Die Entwicklung gehe von "Massenmedien zu Massen an Medien", neue Formen der PR würden den Journalismus teilweise ersetzen, der Nutzer werde sein eigener Programmdirektor. Hans Hanten, für Medien zuständiger Ministerialdirigent beim Kulturstaatsminister, sieht hingegen den Staat in der Pflicht, ähnlich wie bei Rundfunk und Fernsehen im Internet eine "Grundversorgung" mit qualitativ hochwertigen Inhalten zu sichern. Als Beispiele nannte er das kindgerechte Binnen-Netz fragfinn.de und die Deutsche Digitale Bibliothek. Klaudia Pirc von kulturwerkzeug.de berichtete von neuen Erfahrungen bei der Öffentlichkeitsarbeit für Theater im Internet und Thomas Klugkist, Geschäftsführer des Friedrich Verlags, vom Start des neuen Kulturmagazins kultiversum.de. Unser Eindruck: Ganz genau weiß niemand, wohin die Reise geht, aber Kulturvermittler und Produzenten kommen nicht umhin, sich die neuen Möglichkeiten und Techniken der Internetkommunikation anzueignen. Wobei sie nicht aus den Augen verlieren sollten, dass die Qualität kultureller Inhalte genausowenig an Anklickzahlen zu messen ist wie die Qualität eines Buches an der Auflage oder die Qualität einer Fernsehsendung an der Einschaltquote.

Dienstag, 23. März 2010

Helmut der Große in der Springer-Passage


Wo befindet sich das Helmut-Kohl-Denkmal in Berlin? Mit der Beantwortung dieser Frage dürften die meisten Stadtführerkollegen ihre Schwierigkeiten haben. Der neue Stadtrundgang Die schnellste Schlagzeile der Welt - Medien in der Stadt führt daran vorbei. Der überlebensgroße Dickschädel des Bildhauers Serge Mangin wurde am 2. Oktober 2007 in der Axel-Springer-Passage enthüllt. Auf dem Foto im Hintergrund glimmt der BILD-Fanshop. Heute waren Michael Bienert und Paul Gronert mit belgischen Journalistikstudenten dort, einer von fünf Gruppen, die den Rundgang in dieser Woche bei StattReisen Berlin gebucht haben. Das Interesse an diesem neuen Bildungsangebot, das Michael und Paul aus Neugier entwickelt haben, übertrifft alle Erwartungen. Noch ehe der erste öffentliche Rundgang stattfand, erreichten schon etliche Anfragen von Gruppen das StattReisen-Büro. Wieder einmal bestätigt sich die Regel: Wenn einen etwas wirklich beschäftigt, dann interessiert das sicher auch andere Leute.

Montag, 22. März 2010

Jugend liest! Schockierend!


Das Aufregendste an der Reise zur Leipziger Buchmesse war diesmal das Umsteigen in Halle. Im schön renovierten Kaierzeitbahnhof schreit es von den Wänden: „Schock Deine Eltern - lies ein Buch!“ Mit grellen Plakaten wirbt die Hallenser Stadtbibliothek um junges Publikum. Und provoziert zugleich die Älteren, die den exzessiven Medienkonsum der Jugend beklagen, aber nicht minder anfällig sind für die Verführungen elektronischer Spielzeuge. Gefahr droht der Buchkultur vor allem von den Erwachsenen, die keine Zeit mehr finden, ihren kleinen Kindern regelmäßig vorzulesen und die als lesende Vorbilder ausfallen. Vom Alltagsverhalten der Elterngeneration hängt ab, ob die Nachwachsenden das Lesen gedruckter Bücher und Zeitungen als etwas begreifen, was zum Erwachsensein dazugehört. Der Streit um Helene Hegemanns „Axolotl“-Roman kommt gerade recht, weil er signalisiert: Immer noch kann ein gedrucktes Buch die Erwachsenenwelt erschrecken. Also, liebe Kinder, schockt Eure Eltern - schreibt ein Buch! - Das Foto rechts zeigt einen Jungautor in den Leipziger Messehallen. Weitere Kulturrepublik-Kolumnen finden Sie hier.

Sonntag, 21. März 2010

Sonntags in der Nikolaikirche


Nach zweijähriger Sanierung ist die Nikolaikirche wiedereröffnet worden, mit einer neuen Dauerausstellung des Stadtmuseums zur Geschichte der Kirche im Berlin des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Davon war beim Festakt mit dem Regierenden Bürgermeister, zu dem wir eingeladen waren, nicht viel zu sehen. Der Menschenandrang war so groß, dass viele Leute gar nicht in die Kirche hineinkamen. In den letzten Jahren stößt die Geschichte des alten Berlin auf ein immer breiteres Interesse in der Bevölkerung, das war wieder einmal ganz deutlich zu spüren.

Samstag, 20. März 2010

Die Schätze des Aga Khan


Unscheinbar wirkt das Manuskript mit seinen kreuz und quer übereinander geschriebenen arabischen Schriftzügen, den brüchigen Papierrändern und dem eher nachlässig gezeichneten roten Ornament auf der Titelseite. Es ist die älteste Abschrift des "Kanons der Medizin" von Avicenna, der eigentlich Abu Ibn Sina hieß. Sie entstand im Jahr 1052, nur 15 Jahre nach dem Tod des persischen Arztes. Schon im Mittelalter ins Lateinische übersetzt, wurde der "Qanun al-Tibb" das medizinische Standardwerk für die Ärzte Europas. Auf dem Titelblatt der Handschrift haben verschiedene Besitzer ihre Namen verewigt. Jetzt gehört sie Karim Aga Khan IV.: Er ist das geistliche Oberhaupt der 20 Millionen Ismailiten, einer islamischen Glaubensgemeinschaft, deren Mitglieder über 25 Länder verstreut leben. Ihnen gilt der Aga Khan als direkter Nachkomme des Propheten Mohammed. Seit diesem Wochenende ist seine exquisite Sammlung islamischer Kunst im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen, Elke Linda Buchholz hat die Ausstellung in der STUTTGARTER ZEITUNG besprochen. Mehr

Donnerstag, 18. März 2010

Schnurrende Textfabrik


Nebenan bastelt die Kollegin an einem Artikel über die Aga-Khan-Ausstellung mit islamischer Kunst im Martin-Gropius-Bau. Bei mir hat eine Redakteurin einen Feuilletontext über den Netzbau von Spinnen für die Wochenendbeilage ihrer Zeitung bestellt. Zum Glück findet sich im weltweiten Informationsgewebe eine fantastische Website von Samuel Zschokke, Mitarbeiter der Universität Basel, zu diesem Thema. Mitten in den Spinnen-Studien ruft Friedel Drautzburg an, der Kneipier der "Ständigen Vertretung" am Schiffbauerdamm. Er braucht binnen weniger Stunden einen Pressetext anlässlich der Enthüllung eines neuen Mauermahnmals, das der Künstler Ben Wagin (Foto) in seinem Auftrag gestaltet hat. Ben Wagin und sein "Parlament der Bäume" habe ich in meinem Buch Stille Winkel an der Berliner Mauer porträtiert. Rasch spuckt die schnurrende Textfabrik einen kleinen Aufsatz aus, der heute abend an die Pressevertreter und Gäste verteilt werden soll. Wer immer möchte, ist zur Denkmalseinweihung um 18 Uhr herzlich eingeladen. Ort: S- und U-Bahnhof Friedrichstraße, an der Brücke über die Spree.

Dienstag, 16. März 2010

Heute abend: Alfred Döblin an der Saar


"Nun sitze ich in diesem lothringischen Nest. Ich sehe keine Autos, keine Droschke; ab und zu einen Handwagen, bäurische Leute mit schiefen schwarzen Filzhüten", schrieb Alfred Döblin am 3. Januar 1915 an den Galeristen und Verleger Herwarth Walden nach Berlin. In Saargemünd trat der Schriftsteller Döblin seinen Dienst als Militärarzt hinter den Kampflinien an, verantwortlich für "drei Baracken zu je 20 schweren Fällen". Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges arbeitete er fern von Berlin im deutsch-französischen Grenzgebiet, das für Alfred Döblin und seine Familie eine Schicksalregion werden sollte. Ralph Schock, Literaturredakteur beim Saarländischen Rundfunk, hat dazu im Gollenstein Verlag ein Buch herausgegeben, heute abend liest er daraus in der Saarländischen Galerie (Am Festungsgraben 1, 20 Uhr) und spricht darüber mit Michael Bienert.

Montag, 15. März 2010

Zähne zeigen im Zeitungsviertel


So grimmig schaue ich bei Stadtführungen nicht immer drein. Aber wenn es um die Ausbeutung freier Mitarbeiter durch große Medienkonzerne geht, hört der Spaß auf. Wie man auf den Fotos sieht, die Lena S. am vergangenen Samstag beim Rundgang Die schnellste Schlagzeile Berlins geschossen hat, ging es richtig zur Sache. Wie schön, wenn man dann auch noch einen so engagierten Kollegen wie Paul Gronert an der Seite hat.


Musik fällt aus

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In der Kultur- und Bildungspolitik weiß die linke Hand oft nicht, was die rechte tut. Auf einer Seite wird Geld ausgegeben, weil welches da ist, gleichzeitig anderswo gespart, weil es angeblich nicht anders geht. So leistet sich Berlin einen Projektfonds Kulturelle Bildung und einen Autorenlesefonds, damit Künstler und Autoren in die Schulen gehen und den Kids Lust auf Kultur machen. Gleichzeitig aber sieht sich der Senat seit Jahren nicht in der Lage, ausreichend Musikunterricht in der Hauptstadt zu finanzieren. In den Regelschulen findet er kaum noch statt und Bewerber bei den bezirklichen Musikschulen müssen drei Jahre warten, ehe die Kinder einen Platz bekommen. Die Not ist so groß, dass sämtliche Chefdirigenten der großen Berliner Orchester, angeführt von den Pultstars Daniel Barenboim und Simon Rattle, letzte Woche einen offenen Brandbrief an den Schulsenator richteten: „Wir wir so nachwachsendes Publikum heranziehen sollen und mit wem wir in Zukunft die Education Programme an den Schulen erarbeiten sollen, ist uns ein Rätsel.“ Wenn die Hauptstadt so weitermacht, braucht sie irgendwann auch keine drei Opernhäuser mehr. - Weitere kulturpolitische Kolumnen finden Sie auf unserer Seite Kulturrepublik.

Sonntag, 14. März 2010

Sonntags im Museum


Wir sind oft auf Pressekonferenzen von Ausstellungen. In der letzten Woche hat sich Linda Buchholz die Neupräsentation der Sammlung in der Neuen Nationalgalerie - unter dem Titel Moderne Zeiten - angesehen, denn unser Buch Die Zwanziger Jahre in Berlin geht in die 3. Auflage und soll gründlich aktualisiert werden. Mit den Kindern waren wir heute auf der Museumsinsel, vor allem um uns das Islamische Museum im Pergamonmuseum anzusehen, dann auch noch im Alten Museum, um der Brutus-Büste vom Kapitol in Rom unsere Aufwartung zu machen, die in Berlin zu Gast ist. Nebenbei ist auch ein witziges neues Kunstliebhaberinnen-Foto für die Website entstanden...

Samstag, 13. März 2010

"Die schnellste Schlagzeile Berlins" hat Premiere


Geschafft! Nur das Wetter hätte besser sein können. Trotz kalter Windböen und Nieselregen kamen 25 Neugierige zur Rundgangspremiere von "Die schnellste Schlagzeile Berlins". Wegen der Kälte wirken die beiden Rundgangsleiter auf dem Foto - Paul Gronert (links) und Michael Bienert (rechts) - nicht ganz so fröhlich wie das "BILD"-kritische Kunstwerk am "taz"-Gebäude im Hintergrund. In der Axel-Springer-Passage und im ARD-Hauptstadtstudio konnte die Gruppe sich aufwärmen. Wir durften - nach Voranmeldung - zuletzt das Fernsehstudio mit Blick auf Reichstag, Kanzleramt und Spree besichtigen, aus dem der "Bericht aus Berlin" gesendet wird. Ein Techniker setzte die Teilnehmer mit einer ferngesteuerten Kamera ins vertraute Fernsehbild und plauderte über seine Begegnungen mit Spitzenpolitikern. Der frühe Samstagnachmittag als Besuchstermin erwies sich als Glücksfall: Im Studio war sonst nichts zu tun, deswegen war viel Zeit, Fragen der Teilnehmer zu beantworten. Nächster Führungstermin von Michael Bienert ist der 24. April, 11 Uhr. Da nur 25 Personen mit ins ARD-Hauptstadtstudio hineindürfen, bitte vorher bei StattReisen Berlin anmelden! (Nachtrag: Hier gibts noch mehr Fotos von der Premiere.)

Freitag, 12. März 2010

Im Theater (4): "Quai West" an der Volksbühne


Es sieht danach aus, als sollten die Volksbühnenbesucher die ganze Spielzeit auf weißen Plastiksäcken durchleiden. Schon lästern Berliner Kulturpolitiker, die Entfernung der Parkettbestuhlung sei nur ein Trick des Intendanten Frank Castorf, den Besucherrückgang zu verschleiern. Zugegeben, die Sitzsäcke haben auch Vorteile. Stammgäste benutzen sie lieber als Liegematraze und Kopfkissen. In der Horizontalen lassen sich ermüdende Theaterabende leichter aushalten. Bei der letzten Premiere am Mittwoch übermannte den Liegenachbarn des Theaterkritikers - Tatsache! - schon nach zehn Minuten der Schlaf. Der arme Mann schnarchte leider so laut, dass ihn andere Zuschauer ganz schnell aus seinen Träumen rissen. Mehr über die Aufführung.

Mittwoch, 10. März 2010

Springer-Hochhaus, 19. Etage


Mathias Döpfner war in glänzender Laune. Im Springer-Hochhaus hat der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG heute die Konzernbilanz für 2009 vorgestellt, und drei Tage vor der Premiere des neuen Stadtrundgangs über Medien in der Stadt wollten wir diesen Termin nicht verpassen. In der Wirtschaftskrise hat Springer weniger Umsatz gemacht, aber immer noch einen stattlichen Gewinn und ist praktisch schuldenfrei. 20 Prozent seines Umsatzes erzielt Springer bereits im Onlinegeschäft, in ein paar Jahren sollen es 50 Prozent sein. Das Kerngeschäft seines Unternehmens sieht Döpfner nicht im "Bedrucken von Papier", sondern im Erstellen und Vermarkten von journalistischen Inhalten. Es gebe keinen Grund, verzagt in die Zukunft zu schauen. Springer ja auch verfügt über genügend Marktmacht und Geld, sofort neue Medienkanäle mit seinen Inhalten und Marken zu besetzen: Wie "Bild" und "Welt" auf den neuen Tablet-PCs von Apple (iPad) aussehen könnten, daran wird schon getüftelt. Hoch über den Niederungen des journalistischen Alltags wurden nach der Pressekonferenz appetitliche Häppchen serviert, mit herrlichem Ausblick über die Innenstadt aus der 19. Etage. Zur Konzernbilanz.

Montag, 8. März 2010

Die schnellste Schlagzeile Berlins...


... heißt der neue Stadtrundgang über Medien in der Stadt, der am kommenden Samstag (13. 3., 11 Uhr) Premiere hat. Monatelang haben Paul Gronert und ich Materialien gesammelt, über die Route diskutiert, mit Sachverständigen und möglichen Kooperationspartnern gesprochen, jetzt geht es nur noch um die Feinarbeit. Welche Informationen wollen wir verwenden, welche Abbildungen wollen wir zeigen, wo ganz genau stellen wir uns mit der Gruppe auf? Ein Skript wird erstellt und ein Ordner mit Bild- und Textmaterial zusammengetragen, für den Fall, dass mal ein Kollege von StattReisen ganz schnell einspringen muss. So hat jede Stadtführung ihr eigenes Drehbuch, das den Rundgangsleitern eine gewisse Sicherheit gibt - der Rest ist Improvisationskunst, denn die Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit ihren besonderen Interessen und Fragen sind so unberechenbar wie das Wetter. Zum ersten Mal gibt es ein Webtagebuch, das die Arbeit an einem Stadtrundgang dokumentiert, auch über die Premiere hinaus.

Köln in Berlin


Mit einem Federstrich übertrug Kaiser Heinrich IV. drei Reichslehen an die Abtei St. Pantaleon in Köln. Die Urkunde ist über 900 Jahre alt. Aus dem Jahr 1167 stammt das gut erhaltene Wachssiegel auf einem Schriftstück Kaiser Barbarossas, das er nach der Eroberung Roms ausstellte. Auch das um 1258 engzeilig mit der Hand geschriebene Lehrbuch „De Animalibus“ des Gelehrten Albertus Magnus - siehe Abbildung - ist ein Geschichtszeugnis von europäischem Rang. Alle drei Ausstellungsstücke stammen aus dem Kölner Stadtarchiv, das vor einem Jahr einstürzte. Was dort kaputt ging, ist schwieriger vorstellbar als der Schaden nach dem Brand der schmucken Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Auch deshalb wurden die Rettung der Kölner Archivalien nicht sofort als nationale Aufgabe begriffen. Eine Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau mit 100 teils schwer versehrten, teils bereits restaurierten Archivstücken rückt nun die Perspektive zurecht. 90 Prozent des Bestandes konnten aus dem Einsturzkrater geborgen werden, doch fast jedes der Milliarden Puzzlestücke muss gereinigt, restauriert und neu archiviert werden. Das wird Jahrzehnte dauern und bis zu 500 Millionen Euro kosten. Auf diesem Trümmerberg darf die übrige Kulturrepublik die Kölner nicht sitzen lassen.

Sonntag, 7. März 2010

Bettensteuer


Der preußische König Friedrich I. gründete die Berliner Akademie der Künste in Berlin und erhob eine Perückensteuer, um seine prachtvolle Hofhaltung zu bezahlen. Friedrich ist ein steinerner Dauergast im Plenarsaal der Akademie am Pariser Platz. Unter seinen Augen fand vor einigen Tagen eine Podiumsdiskussion zur anrollenden Kulturfinanzierungskrise in den Kommunen statt, das Motto lautete: „Macht Not erfinderisch?“ Außer Appellen, sich gemeinsam etwas einfallen zu lassen, kam allerdings wenig Greifbares heraus. Denn Abgründe tun sich nicht nur bei der Finanzierung von Theatern, Orchestern oder Bibliotheken auf, sondern bei allen kommunalen Aufgaben. Richtig entschlossen wirkte nur der Kölner Stadtkämmerer Norbert Walter-Borjans, sich die Millionen, die ihm durch die Mehrwertsteuersenkung für Hotelübernachtungen verloren gehen, durch eine Kulturabgabe zurückzuholen. Über eine solche Bettensteuer denken inzwischen viele Gemeinden nach. Dass man im Schlaf etwas für die Kultur tun kann, so wie früher durch das Perückentragen, ist ja auch eine charmante Vorstellung.

Freitag, 5. März 2010

Wende unter Westerwelle...

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titelt das Feuilleton des Tagesspiegel heute und die Kollegen von der Stuttgarter Zeitung haben die Kürzungen des Auswärtigen Amtes bei der Literatur- und Übersetzungsförderung sogar auf Seite 1 gesetzt. Den ausführlicheren beider Artikel mit genauen Quellenangaben finden Sie hier. Von Kürzungen betroffen sind auch andere Bereiche. In einer gestern nachmittag veröffentlichten Pressemitteilung protestiert die SPD-Bundestagsfraktion gegen die Absenkung von "Stipendien, Austauschmassnahmen und Beihilfen fuer Nachwuchswissenschaftler, Studierende und Hochschulpraktikanten aus dem Ausland sowie Betreuung und Nachbetreuung" in Höhe von 13 Millionen Euro. Aus diesem Titel finanzieren renommierte Einrichtungen, wie der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Politischen Stiftungen aller Parteien und die Alexander von Humboldt-Stiftung, Programme, um einen Internationalen Austausch von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern zu ermöglichen. Weiter heißt es: "Auch für die deutschen Schulen im Ausland bietet das spontane Sparprogramm der Koalitionsfraktionen keine guten Nachrichten. Für Auslandsdienst- und Programmlehrkräfte werden, wenn es nach dem Willen der Koalition geht, 3,4 Millionen Euro weniger fliessen." Hier geht es zur Quelle.

Donnerstag, 4. März 2010

Türckische Cammer


Über eine Million Dönertüten haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden bedrucken lassen. Denn nicht nur die alteingesessenen Bildungsbürger Deutschlands sollen mitbekommen, dass die sächsische Hauptstadt um ein Highlight reicher ist. Elke Linda Buchholz durfte die Türckische Cammer, die am Wochenende im Residenzschloss eröffnet wird, vorab besichtigen und hat für die STUTTGARTER ZEITUNG ausführlich darüber berichtet. Hier finden Sie den Text und Fotos.

Außenministerium kürzt Kulturausgaben...

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...melden heute exklusiv der Tagesspiegel und die Stuttgarter Zeitung. Darauf sind wir ein bisschen stolz, denn die Nachricht stammt nicht von einer großen Agentur oder Pressestelle, sondern aus unserem Büro. Der Tipp kam vom Verband deutscher Übersetzer, daraufhin haben wir einen Nachmittag lang herumtelefoniert, mit dem Vorsitzenden des Verbandes gesprochen, bei Mitarbeitern des Goethe-Instituts, des Literarischen Colloquiums, der Literaturwerkstatt nachgefragt - und natürlich die Pressestelle des Außenministeriums um eine Stellungnahme gebeten. Dort wollte man die Sparpläne weder bestätigen noch dementieren, weil der Haushalt noch nicht abschließend beschlossen sei. Doch sämtliche angefragten Kulturinstitutionen bestätigten, dass ihnen bereits Kürzungen der Zuschüsse angekündigt worden seien. Beim Literarischen Colloquium hat das zur Folge, dass ein Übersetzungsförderungsprogramm nach 16 Jahren eingestellt wird, der Leiter der Literaturwerkstatt rechnet mit einer Halbierung der Zuschüsse des Außenministeriums für internationale Literaturprojekte.

Mittwoch, 3. März 2010

Im Theater (3): "Dämonen" in der Schaubühne


Auf die Dauer ist wahrscheinlich jedes Eheleben anstrengend, mit Kindern sowieso, ohne Kinder erst recht, weil die Partner dann ganz alleine aushandeln müssen, wie sie ihre Lebenszeit gestalten. In Lars Noréns Drama Dämonen verbringen zwei Paare um die Dreißig eher zufällig einen Abend miteinander, sie sind schon jahrelang zusammen und gehen sich nur noch auf die Nerven. Ihr sexuelles Begehren überkreuzt sich, bleibt aber im Imaginären. Die fragile Katarina (Brigitte Hobmeier) wird irre an ihrem emotional grob gestrickten Gatten Frank (Lars Eidinger), der am Ende die Urne mit der Asche seiner Mutter über ihr ausschüttet. Das hysterische Muttertier Jenna (Eva Meckbach) und ihr braver Mann Thomas (Tilman Strauß) geraten in den Strudel dieses Ehekriegs bis aufs Messer, dabei geht ihre Beziehung mit zu Bruch, ohne dass das Stück den Figuren irgendeinen Ausweg öffnet. Regisseur Thomas Ostermeier hält sich mit Deutungen des Geschehens zurück. Das Schmoren der Mittelschicht-Figuren im eigenen Saft signalisiert keine gesellschaftliche Fehlentwicklungen, sondern eher eine existentielle Hilflosigkeit, die ganz zuletzt doch berührt. Zwei Stunden Psychoterror in einer rotierenden Nobelwohnung (Bühne und Kostüme von Nina Wetzel) haben auch ihre komisch-grotesken Seiten, es wird ziemlich viel gelacht, obwohl dem Stück selbst alle boulevardeske Leichtigkeit fehlt. Eine schöne Ensembleleistung. Wer gerne neugierig in fremde Betten und Wohnzimmer guckt, kommt an diesem Abend auf seine Kosten. Aufführungstermine hier.

Dienstag, 2. März 2010

Im Theater (2): Tschechows Welt als Irrenhaus

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Dem Gefühl nach ist Tschechow der erfolgreichste Dramatiker auf deutschen Bühnen, seit Jahren schon, selbst wenn das statistisch gar nicht stimmt. Denn Tschechows Stücke durchleuchten eine Gesellschaft, die trotz aller Modernisierungsschübe nicht vom Fleck kommt. Es fehlt darin nicht an Weltverbesserern und tatkräftigen Unternehmern, aber die Leute werden nicht glücklicher, sondern immer resignierter und melancholischer. Oder sie schießen sich eine Kugel durch den Kopf wie der junge Konstantin in der „Möwe“. Tschechows Welt ist zum Verrücktwerden und gleichzeitig ein Gefängnis. Am Deutschen Theater hat sie nun der Regisseur Dimiter Gotscheff vollends in eine Irrenanstalt verwandelt. Mehr

Montag, 1. März 2010

Goethes Kapitän wird Siebzig


Präsident des Goethe-Instituts zu sein ist eigentlich ein Ehrenamt, die Arbeit sollen andere machen, aber Klaus-Dieter Lehmann sieht das anders. Seit er vor zwei Jahren aus Altersgründen die Leitung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz abgeben musste und zu Goethe wechselte, fährt das Flaggschiff der deutschen Kulturpolitik im Ausland unter Volldampf. Und der schnauzbärtige Kapitän steht täglich an Deck, strahlt Zuversicht, Zuverlässigkeit und Freude an der Teamarbeit aus. Das Goethe-Institut ist die dritte große Kulturinstitution, die unter Lehmanns souveräner Leitung zu neuer Regsamkeit erwacht. Der gelernte Physiker und Bibliothekar führte nach der Wiedervereinigung erfolgreich die Nationalbibliotheken in Frankfurt/Main und Leipzig zusammen, seit 1999 beendete er die Ost-West-Querelen in der Preußenstiftung und schwor sie auf ein neues Ziel ein: Als Gedächtnis der Weltkulturen und weltweit vernetzte Forschungseinrichtung soll sie sich künftig im Berliner Humboldt-Forum präsentieren. Dass Lehmann sich so leidenschaftlich für den internationalen Kulturaustausch einsetzt, hat auch mit seiner Herkunft zu tun: Am 29. Februar 1940 in Breslau geboren, ist er ein Vertriebenenkind, doch hat er früh begriffen, dass nur der grenzübergreifende Dialog alte Wunden heilen kann. - Ein ausführliches Interview, das Michael Bienert vor zwei Jahren mit Klaus-Dieter Lehmann geführt hat, finden Sie hier.